Benki  Piyãko appelliert an uns alle: "Helft mit, indigene Völker vor Eindringlingen und damit vor Corona zu schützen!" Foto: Collage: Tanja Wieczorek

Plötzlich ist alles anders: Die Ashaninka haben den Zugang zu ihren Dörfern gesperrt. Sie sind jetzt ganz auf sich allein gestellt und könnten ihr Leben mitten im brasilianischen Amazonasgebiet auch meistern - wenn keiner von ihnen an dem gefährlichen Corona-Virus erkrankt.

COVID-19 ist für die Ashaninka eine ungeheure Bedrohung. Deshalb haben uns ihre Sprecher Benki und Francisco Piyãko dringend darum gebeten mitzuhelfen, sie und alle anderen, oft nur noch kleinen indigenen Gemeinschaften Brasiliens vor Eindringlingen zu schützen. Für sie geht es um alles oder nichts, um jedes einzelne Leben, aber auch um das Überleben ihrer einzigartigen Kulturen.

Wir müssen ganz besonders wachsam sein und sofort Alarm schlagen, wenn Fremde die Grenzen indigener Gebiete nicht respektieren, sagt unsere langjährige ehrenamtliche Brasilien-Expertin Eliane Fernandes Ferreira. Gerade jetzt sind die indigenen Völker Brasiliens besonders verletzlich. Sie brauchen unsere Unterstützung mehr denn je! Drogen- und Holzmafia oder illegale Goldsucher nutzen gerade jede Gelegenheit, um auf indigenes Gebiet vorzudringen – auch mit Gewalt! Präsident Jair Bolsonaro hat kein Interesse daran, die Indigenen zu schützen und staatliche Stellen kümmert das in Corona-Zeiten schon gar nicht. Aber genau das müssen wir ihnen abverlangen, wenn Gefahr droht!

Indigene durch Krankheiten besonders gefährdet

Das Corona-Virus spitzt die ohnehin katastrophale Lage der indigenen Völker in Brasilien zu. Die Gesundheitsversorgung in ihren Gebieten ist völlig unzureichend. Präsident Bolsonaro spielt die Gefahr gezielt herunter und hält Schutzmaßnahmen für nicht erforderlich. Dabei blicken Brasiliens Indigene auf eine lange traurige Geschichte eingeschleppter Krankheiten zurück wie die Paiter-Surui. In den 1970er-Jahren schleppten Reisende bei ihnen unbekannte Krankheiten ein. Nur 242 von 5.000 Surui überlebten. 

Heute gibt es wieder 1.500 von ihnen. Doch nach dieser entsetzlichen Erfahrung mahnen sie dringend zu besonderer Vorsicht.

Die Ashaninka haben wie alle anderen indigenen Gemeinschaften Brasiliens ein Recht auf eine selbstbestimmte Zukunft. Foto: Secretario Especial da Cultura do Ministério da Cidadania/Flickr CC BY 2.0

Weniger Rechte - mehr Profit

Einige Bischöfe Brasiliens, Menschenrechts- und Umweltorganisationen bestätigen die Klagen indigener Organisationen, dass sich die Regierungspolitik unter Bolsonaro offen gegen die rund 900.000 Indigenen richtet.  Der Präsident hat damit begonnen, sie systematisch zu entrechten und höhlt gezielt Verfassung und Gesetze aus, für die viele indigene Gemeinschaften und auch wir lange gekämpft haben. Schon im Wahlkampf forderte er die Öffnung indigener Gebiete für Bergbau und Landwirtschaft: Mit neuen riesigen Soja-Feldern und noch größeren Rinderfarmen soll die Wirtschaft angetrieben werden. Jetzt ermuntert er dazu, diese Pläne umzusetzen, auch wenn sie – noch – verfassungswidrig sind. Die staatliche Indigenen-Behörde FUNAI hat er so geschwächt, dass sie dagegen nicht mehr wirksam einschreiten kann.

In den Wäldern Amazoniens wird jetzt massiv abgeholzt. Jede Kritik daran verbittet sich der Präsident, obwohl der Regenwald für das Gleichgewicht des Weltklimas sorgt.  Es werden weiterhin Staudämme für die Energiegewinnung errichtet,  Straßen sowie Eisenbahnlinien für den Abtransport der Rohstoffe gebaut. Diese Einfallschneisen nutzen auch illegale Eindringlinge

Und damit nicht genug: Bolsonaro will sogar die mehr als 100 indigenen Gruppen, die sich nach bösen Erfahrungen mit der Außenwelt tief in die Wälder zurückgezogen haben, notfalls zum Kontakt zwingen. Vor dieser rücksichtslosen Vorgehensweise warnte Sonja Guajajara, die Sprecherin der indigenen Dachorganisation APIB. Sie war im Herbst 2019 mit einer indigenen Delegation nach Deutschland gekommen, um auf die dramatische Lage aufmerksam zu machen, und wir hatten vieles für sie organisiert. Seit Jahren setzt sich die GfbV dafür ein, den Wunsch indigener Gruppen nach freiwilliger Isolation zu respektieren.

Sonja Guajajara (re.) kämpft mit aller Kraft für die Durchsetzung indigener Rechte. Foto: APIB/Katie Mähler/Flickr CC BY-SA 2.0

Goldgräber bedrängen Yanomami

Die Corona-Pandemie, die auch uns und weltweit so viele Menschen bedroht, ist für die indigenen Völker Brasiliens eine zusätzliche Gefahr und wird von illegalen Goldgräbern, Holzfällern, Wilderern und Drogenhändlern genutzt. Von Behörden unbehelligt, dringen sie in die Gebiete Indigener ein. Wer seine Rechte verteidigt, setzt sein Leben aufs Spiel: Schon steigt die Zahl der indigenen Mordopfer. 

Auch die rund 26.000 Yanomami in Brasilien und Venezuela, gegen deren Auslöschung wir schon vor 30 Jahren mit dem kürzlich verstorbenen Survival-Experten Rüdiger Nehberg kämpften, erleben eine neue Invasion. Damals starben durch tödliche Krankheiten, die von den Goldsuchern eingeschleppt wurden, auf brasilianischer Seite mehr als 1.000 Yanomami. Seit Jahresbeginn sind Tausende Glücksritter in  traditionelles Yanomami-Gebiet eingesickert – mit schlimmen Konsequenzen:  Einer der ersten indigenen Virus-Toten in Brasilien war ein 15-jähriger Yanomami, der entlang der Einfallschneisen der Goldsucher lebte.

Mit dem Ende der Regenzeit werden wohl noch mehr Menschen Brasiliens Gesundheitsnotstand nutzen, um auf Yanomami-Land ihr Glück zu suchen. Was sollten sie auch befürchten? Aus freien Stücken wird Bolsonaro das Gesetz nicht durchsetzen und sie aus den offiziell anerkannten indigenen Schutzgebieten vertreiben lassen. Das könnte für viele Yanomami ein Todesurteil sein, aber auch für die Munduruku, Xingu, Uru-Eu-Wau-Wau und andere.,  Sie alle leiden unter Eindringlingen, die auch das Corona-Virus mitbringen. Noch extremer ist die Situation derjenigen Indigenen, die noch immer auf die seit langem versprochene Durchsetzung ihres Rechtes auf Kennzeichnung und Schutz ihrer Gebiete warten. Indigene Dachorganisationen wie die APIB unter Sonja Guajajara prangern diese Hinhaltetaktik staatlicher Stellen als klaren Rechtsbruch an. Sie warnen bereits vor einem Massensterben und einem Völkermord an Brasiliens Indigenen. Denn wenn eine Regierung illegale Eindringlinge zum Gesetzesbruch ermutigt, ist sie mitverantwortlich für die Auslöschung indigenen Lebens.

Unsere ehrenamtliche Brasilienexpertin Eliane Fernandes Ferreira (hier im Jahr 2012) arbeitet schon lange eng mit den Ashaninka zusammen. Sie hat erreicht, dass sich die deutsche Botschaft für deren Sicherheit einsetzt, wenn sie von der Drogen- und Holzmafia bedroht werden. Foto: GfbV

Wir werden uns in der UNO dafür einsetzen, dass Brasiliens Regierung aufgefordert wird, die freiwillige Isolation indigener Völker zu achten. Dafür werden wir uns insbesondere an den UN-Sonderberichterstatter für indigene Völker, José Francisco Calí Tzay, wenden.

Wir werden die Übergriffe von Goldsuchern und Holzfällern auf Indigene dokumentieren, bekanntmachen und darauf dringen, dass die Eindringlinge aus den Schutzgebieten entfernt werden, wie indigene Organisationen es dringend verlangen.

Alle Personen, die indigene Gebiete legal betreten, müssen auf das Virus getestet werden. Statt die Ausbreitung von COVID-19 herunterzuspielen, müssen alle infizierten Indigenen - sowohl in ihren Territorien als auch in den Elendsvierteln der  großen Städte! - angemessen medizinisch versorgt werden! Vor allem muss die gesundheitliche Aufklärung verstärkt werden, um mit mehr Hygiene neue Infektionen zu vermeiden.

Das Ringen der indigenen Völker um die Durchsetzung der Kennzeichnung, Anerkennung und des Schutzes ihrer traditionellen Territorien werden wir weiter tatkräftig unterstützen und ihr Recht auf eine selbstbestimmte Zukunft verteidigen.

AKTION

Ashaninka, Yanomami, Guarani und alle anderen indigene Gemeinschaften Brasiliens haben verbriefte Rechte. Wer diese Garantien gezielt missachtet und aushöhlt, um indigenes Leben zu zerstören, und auf die akute Corona-Krise nicht angemessen reagiert, macht sich schuldig und trägt zum Genozid an den Indigenen Brasiliens bei. Auch der brasilianische Fotograf und Träger des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, Sebastião Salgado, befürchtet, dass an den Indigenen Völkermord begangen wird. 500 Jahre nach der Zerstörung ihrer Kulturen durch europäische Kolonisatoren darf es dazu nicht kommen! Solange indigene Rechte und Menschenrechte nicht respektiert werden, darf Deutschland das Mercosur-Handelsabkommen mit Brasilien nicht unterzeichnen. Bitte laden Sie sich die Postkarte herunter und schicken sie mit dieser Forderung an Bundesaußenminister Heiko Maas.

Bitte unterstützen Sie unsere Menschenrechtsarbeit mit Ihrer Spende! Wir kämpfen für die Zukunft der indigenen Völker Brasiliens! Sie brauchen unsere Unterstützung und unsere Hilfe heute mehr als je zuvor. 

Senden Sie unser Infoblatt und Aktionskarte "Durch Corona noch mehr gefährdet: Indigene Völker in Brasilien brauchen uns JETZT!" an Freunde und Bekannte.
Sie können das gedruckte Faltblatt und die Postkarte auch kostenlos in unserem Online-Shop (Kategorie: Aktionsmaterial) bestellen: Zum Shop

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Diese Petition wurde im Mai 2020 lanciert.