Report: Big in Brazil - Bayers Pestizidexport und ihre Folgen für Indigene

Brasilien hat ein Pestizidproblem. Auf riesigen Agrarflächen werden massenhaft Gifte gegen Insekten, unerwünschte Pflanzen oder Pilze eingesetzt. Indigene, Quilombolas (Nachkommen entflohener afrikanischer Sklav*innen), Kleinbäuer*innen – viele leben in unmittelbarer Nähe zu großflächigen Anbaugebieten von pestizidintensiven Agrarprodukten. Flugzeuge, die Pestizide versprühen, tragen die Giftstoffe buchstäblich bis vor ihre Tür. Böden und Gewässer sind nachweislich belastet, nicht nur auf dem Land, sondern auch in vielen brasilianischen Großstädten. Die gesundheitlichen Folgen sind für viele nicht kalkulierbar. Landwirtschaftliche Erzeuger*innen, die Pestizide nutzen, haben keine transparenten Informationen zu den hohen Gefahren der Produkte, die sie täglich benutzen. Mehrere Regierungen hintereinander stellten die Wirtschaft auf den Export und somit die Agrarwirtschaft auf Monokulturen und hohen Pestizideinsatz um. Das Hauptprodukt dabei ist genetisch modifizierte Soja. Diese wird in Monokulturen angebaut und ist mit einem immer höher werdenden Pestizideinsatz verbunden.

Das Leverkusener Traditionsunternehmen Bayer ist seit der Übernahme des US-amerikanischen Saatgutherstellers Monsanto groß ins Pestizidgeschäft eingestiegen. Das Geschäft mit der Chemie verfolgt dabei eine Logik der Doppelstandards: Pestizide werden in Deutschland produziert, die zum Teil in der Europäischen Union (EU) jedoch verboten sind. Sie werden in Länder wie Brasilien exportiert und finden v.a. Anwendung im Anbau von Soja, Mais, Zucker, Baumwolle – alles Exportprodukte, die anschließend wieder Europa erreichen: Das bedeutet eine Verlagerung menschenrechtsverletzender und umweltverschmutzender Praktiken in Drittländer.

Indigene sind von den Praktiken des Agrarbusiness mehrfach betroffen. Mit stetig wachsender Nachfrage wachsen Abbaugebiete und damit Konflikte um indigene Territorien. Indigene werden von ihren Gebieten verdrängt oder gewaltsam vertrieben. Zudem leben sie meist in unmittelbarer Nähe zu den Abbaugebieten und den Pestiziden. Oftmals ohne Mindestabstand und sogar absichtlich werden Pestizide auf indigene Gebiete versprüht. In diesem Bericht werden sieben Fallbeispiele vorgestellt, in denen die Rechte Indigener durch ein sich stetig ausweitendes Agrarbusiness und den damit verbundenen Einsatz von Pestiziden verletzt werden.

Der weltweite Export von Pestiziden, gerade von sogenannten hochschädlichen Pestiziden (Highly Hazardous Pesticides: HHPs) hat Folgen für Mensch und Umwelt. Brasilien ist weltweit der größte Käufer von Pestiziden. Umweltgesetze sind in den letzten Jahren stark dereguliert worden. Seit der Regierungsübernahme von Präsident Jair Bolsonaro hat sich die Lage noch einmal verschärft: Landwirtschaftsministerin Tereza Cristina hat in Rekordzeit bisher 1.132 Pestizide neu zugelassen. Viele davon sind in Europa verboten. Damit steht sie in einer Tradition zur Vorgängerregierung unter Ex-Präsident Michel Temer, die innerhalb von drei Jahren 1.200 Pestizide zugeZusammenfassung und Forderungen 6 7 lassen hatte. Beide Regierungen stehen bzw. standen der mächtigen Agrarlobby des Landes nahe. So gibt es großzügige Steuererlasse für Agrarkonzerne und eine aussichtsreiche rechtliche Flexibilisierung durch das geplante „GiftPaket“, einem Gesetzentwurf, der Zulassung und Prüfung von Pestiziden allein dem Landwirtschaftsministerium überlassen soll. Diese Gesetzesvorlage wird von den brasilianischen Agrarlobbyverbänden CropLife Brasilien und SINDIVEG offen unterstützt. Bayer ist bei beiden Mitglied.

Doch gerade in Ländern wie Brasilien, in denen die Regierung nicht gewillt ist, die Bevölkerung ausreichend zu schützen, braucht es Unternehmen, die für ihr Handeln menschenrechtlich Sorge tragen. Gleichzeitig werden internationale Instrumente sowie nationale Gesetze benötigt, die den Einsatz von Pestiziden streng überwachen und es Betroffenen, unter ihnen besonders auch Indigenen, möglich macht, ihr Recht auf Land und Gesundheit gegenüber Agrarkonzernen einzuklagen.

Ausgabe
Nummer

April 2021

Kategorie

Dokumentationen

Seitenanzahl

43

Preis

5.00 €