23.06.2005
100 Jahre Völkermord an Herero und Nama
Faltblatt
Am 12. Januar 2004 jährte sich zum 100. Mal der Beginn des Aufstandes der Herero in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, der heutigen Republik Namibia. Die Herero begehrten auf, denn deutsche Siedler verstießen ständig gegen die Bestimmungen des "Schutzvertrages". Darin hatten sich die Kolonialherren verpflichtet, die bestehenden Sitten und Gebräuche zu respektieren. Die Erhebung des Nomadenvolkes gegen den fortschreitenden Verlust ihres Landes und gegen ihre Entrechtung durch die Kolonialregierung wurde zum Auslöser für den ersten von Deutschen verübten Völkermord, in dessen Verlauf rund 65.000 Herero und 10.000 Angehörige des Nama-Volkes von wilhelminischen Soldaten und Siedlern umgebracht wurden.
Herero wurden gezielt vernichtet
Der von Berlin zur Niederschlagung des Aufstands entsandte Kommandeur der Deutschen Schutztruppe, Generalleutnant Lothar von Trotha, ordnete nach der Niederlage der Herero in der Schlacht am Waterberg (11.August 1904) die Vernichtung der Herero an. Gegenüber Gouverneur Leutwein, der einen Vernichtungsfeldzug gegen die Herero ablehnte, machte von Trotha unmissverständlich deutlich, dass für ihn Völkermord die angemessene Reaktion war: "Ich kenne genug Stämme in Afrika. Sie gleichen sich alle in dem Gedankengang, dass sie nur der Gewalt weichen. Diese Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben war und ist meine Politik. Ich vernichte aufständische Stämme mit Strömen von Blut und Strömen von Geld." Von Trotha bezeichnete den Aufstand als den "Anfang eines Rassenkampfes". {bild1}
Die Soldaten der Schutztruppe drangen immer weiter in die wasserlose Omaheke-Wüste vor, in die die Herero nach der Schlacht am Waterberg mangels anderer Alternativen geflohen waren. Mit einem 250 Kilometer langen Überwachungsring wurden von der Schutztruppe alle Ausgänge aus der Wüste abgeriegelt. Angebote zur Aufgabe wurden ignoriert, Verdurstende "von ihrem Leiden erlöst". Tausende Männer, Frauen und Kinder wurden umgebracht oder verdursteten, das gesamte Vieh der Herero ging zugrunde.
Im Oktober 1904 erhob sich das Volk der Nama, nachdem viele deutsche Siedler gefordert hatten, mit den Herero auch gleich die Nama auszurotten. Diese vermieden jedoch offene Schlachten und begannen einen Guerillakrieg. Die deutsche Regierung reagierte darauf mit einer Politik der "verbrannten Erde". Durch die Besetzung und Vergiftung von Wasserstellen starben tausende Nama..
Zwangsarbeit tötet tausende Herero und Nama
In Berlin sah man das brutale Vorgehen als gerechtfertigt an. Generaloberst von Schlieffen erklärte, ein "Rassenkrieg" könne nur mit der Vernichtung einer der beteiligten Parteien enden. Es gab jedoch auch Widerstand von Reichstagsabgeordneten gegen diesen "barbarischen Akt der Kriegsführung" und so wurde von Trotha im Dezember 1904 angewiesen, die Vernichtung zu stoppen und "Konzentrationslager für die einstweilige Unterbringung und Unterhaltung der Reste des Hererovolkes" einzurichten. Doch auch dort setzte sich die Politik der Vernichtung fort. Die Gefangenen wurden zu Zwangsarbeit eingesetzt und gingen elendig zugrunde. Mehr als 60.000 Herero und 10.000 Nama fielen dem Völkermord zum Opfer.
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Bundesregierung entschuldigt sich nicht für Genozid
Deutschland tat sich schwer mit der Anerkennung seiner Verantwortung für den Genozid. Jahrelang setzte sich die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) mit Appellen an den Bundeskanzler, den Bundesaußenminister und den Bundestag für eine offizielle Entschuldigung Deutschlands gegenüber den Herero ein. Während die Öffentlichkeit überwiegend positiv reagierte, lehnten die meisten Politiker in Berlin ein Umdenken in der Herero-Frage ab. Zwar räumte Bundespräsident Roman Herzog 1998 ein, es sei "ein besonders dunkles Kapitel" in der Geschichte der bilateralen Beziehungen und eine schwere Bürde, die auf dem Gewissen jedes Deutschen laste, der die Geschichte seines Landes kenne. Außenminister Joschka Fischer äußerte zwar sein Bedauern über den Kolonialkrieg, lehnte aber noch im Herbst 2003 jede offizielle Entschuldigung ab, da diese entschädigungsrelevant für in den USA anhängige Schadensersatzklagen der Herero gegen deutsche Unternehmen und die Bundesrepublik Deutschland sein könne. Tatsächlich war das Schadensersatzverfahren gegen den deutschen Staat jedoch schon Monate zuvor eingestellt worden.
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Bedeutende Geste einer Ministerin
Mit öffentlichkeitswirksamen Menschenrechtsaktionen und der Veröffentlichung eines Menschenrechtsreportes über den Völkermord an Herero und Nama erhöhten wir im 100. Jahr nach Beginn des Genozids nochmals den Druck auf die Bundesregierung, sich für den Völkermord zu entschuldigen. Nach einer enttäuschenden Resolution des Bundestages im Mai 2004 waren auch wir überrascht, als sich die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit Heidemarie Wieczorek-Zeul bei den Feiern zum Gedenken an die Schlacht vom Waterberg im August 2004 im Namen der Bundesregierung offiziell für den Genozid entschuldigte. Sie hat damit einen wichtigen Beitrag zur Versöhnung zwischen Herero und Deutschen geleistet.
Herero und Nama gezielt fördern
Deutschland ist wichtigstes Geberland Namibias. Seit Jahren fordert die GfbV, dass die Herero und Nama sowie andere benachteiligte ethnische Gruppen in Namibia wie zum Beispiel die San (Buschleute) besonders gefördert werden sollten. Sie leiden in besonderem Maß unter den Folgen des Völkermordes und der damals von den Kolonialbehörden angeordneten Enteignung ihres Landes.