28.04.2005

DAS DRAMA DER AROMUNEN

Die Aromunen, auch Mazedoromanen oder Vlachen genannt, sind die Nachkommen der Bewohner der ehemaligen "Provincia Macedonia"(158 v. Chr. – 467 n. Chr.). Diese umfasste das alte Königreich Mazedonien sowie die Regionen Thessalien und Epirus. Hier, zwischen dem Adriatischen, Jonischen und dem ägäischen Meer bildete sich aus der Verschmelzung der thrako-illyrischen Autochthonen mit den aus der italienischen Halbinsel stammenden Kolonisten das Volk der "wlachophonen" (latinophonen) Aromunen. Zur Zeit des Oströmischen Reiches (467–1453) mussten sie ihre Freiheit gegen die willkürliche zentrale Administration von Byzanz oder gegen räuberische Nomaden mit Waffengewalt verteidigen. Deshalb gründeten sie im Mittelalter autonome staatliche Gebilde, die unter dem Namen "Walachei" eine wichtige Rolle in Südost-Europa spielten.

Im 17. und 18. Jh. traten sie für eine große Republik aller Nationen in Südosteuropa ein, wo "Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit" für alle gelten sollten. Nicht zufällig war der geistige Vater der Bewegung für eine "Republik aller freien, gleichberechtigten Völker, unabhängig von ihrer Nationalität, Religion, Rasse und Hautfarbe" der Aromune Riga Fereu Velestin (1757-1798). Am 9./22. Mai 1905 wurde den Aromunen durch eine Irade des letzten Sultans kulturelle, religiöse und Verwaltungsautonomie zugestanden. Vorausgegangen waren Kämpfe gegen die Patriarchalkirche von Konstantinopel, in denen 400 Aromunen starben. Die Patriarchalkirche verlangte, dass griechisch-orthodoxe Gläubige im Osmanischen Reich nicht nur "orthodox", sondern auch griechisch sein müssen. In der zweiten Hälfte des XIX. Jhs. ist es den Aromunen mit Hilfe Rumäniens - dem die Rolle eines Protektors der Latinität im Südosten Europas zuerkannt wurde – gelungen, in über 100 Schulen eigenen Unterricht zu organisieren. In zahlreichen Kirchen konnten die Aromunen den Gottesdienst und die Predigt in ihrer eigenen Sprache hören.

Nur in der kurzen Zeitspanne von 1905 bis zum Frieden von Bukarest (1913) konnten die Aromunen ihre Sprache und Kultur frei entfalten und pflegen. Obwohl 1913 Griechenland, Bulgarien und Serbien zugesichert hatten, die 1905 erworbene Autonomie der Aromunen zu bewahren, den aromunischen Unterricht zu fördern und je einen eigenen Bischofssitz der Aromunen in allen drei Staaten zuzusichern, unterdrückten sie die Aromunen.

Das Drama der Aromunen verschärfte sich im XX. Jahrhundert zunehmend. Während des Ersten Weltkrieges befanden sich aromunische Siedlungen an der Front von Thessaloniki. Die Dörfer wurden verlassen oder zerstört, die Bevölkerung evakuiert, vertrieben oder nach Bulgarien in Lager verschleppt. Nach dem Ersten Weltkrieg folgten massive Vertreibungen, und zwar nicht nur aus Griechenland und Bulgarien, sondern in etwas geringerem Ausmaß auch aus Albanien und Jugoslawien. Die Vertriebenen flohen nach Rumänien, Amerika oder Australien.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde ein Großteil der aromunischen Orte im griechischen Gebirge evakuiert. Mein Geburtsort, Livedzi war 1943 durch einen Brand zerstört worden. Während des Bürgerkriegs 1948 wurde Livedzi ein zweites Mal vollkommen niedergebrannt. Vielen anderen Orten ging es genauso.

Noch heute versucht die griechische Regierung das Aromunische zu verdrängen. Im Dezember 2000 konnte erstmals zu einem Symposium eingeladen werden, welches jedoch nicht das griechische Kultusministerium, sondern das Verteidigungsministerium organisierte. Diese Veranstaltung an der Universität in Thessaloniki sollte das "griechische Bewusstsein" der "wlachophonen Griechen" bezeugen. Hier durfte jedoch nicht Aromunisch gesprochen werden. Trotzdem brachte der deutsche Wissenschaftler, Thede Kahl, es zur größten Genugtuung hunderter von aromunischen Teilnehmern – fertig, seinen Beitrag zum Teil auf Aromunisch vorzutragen.

Selbstorganisation der Aromunen im Rahmen der Europäischen Union

Zur Bewahrung der aromunischen Sprache und Kultur erwirkte die "Union für aromunische Sprache und Kultur" (UASK) mit Sitz in Freiburg – zu deren Mitgliedern aromunische Vereine weltweit zählen – am 24. Juni 1997 die Annahme einer speziellen Empfehlung (Nr.1333) durch die Parlamentarischen Versammlung des Europarats, die am 9. Juni 1999 von allen Regierungen der Mitgliedstaaten des Europarats akzeptiert wurde.

Leider haben sich die Staaten des Balkans – mit Ausnahme einiger bescheidener Erleichterungen in der Republik Mazedonien und in Rumänien –, insbesondere Griechenland, nicht nur keinerlei Mühe gegeben, diese Empfehlung in die Tat umzusetzen, sondern sie tolerieren, ermutigen und unterstützen sogar entgegengesetzte Aktionen. Forderungen der UASK:

(i) Die Regierungen der Staaten im Süden der Donau sollen die Empfehlung 1333 / 97 nicht "ad calendas graecas" realisieren, sondern jetzt, solange es im Pindosgebirge und auf dem Balkan noch aromunische/wlachophone Gemeinschaften gibt, umsetzen.

(ii) Die absurde Verurteilung des Architekten Sotiri Bletsa soll als nichtig erklärt werden und die Verantwortlichen sollen sich für ihr Vorgehen entschuldigen.

Prof. Dr. Vasile Barba ist Präsident der Union für aromunische Sprache und Kultur mit Sitz in Freiburg.