31.05.2005

Der UN-Entwurf für eine "Erklärung über Bevölkerungstransfers und die Seßhaftmachung von Siedlern" (1997)

Artikel 1

Diese Erklärung setzt Normen, die in allen Situationen angewandt werden können, einschließlich Friedenszeiten, Krisen und Spannungen, innerstaatliche Gewalt, innerstaatliche bewaffnete Konflikte, gemischte innerstaatliche und zwischenstaatliche bewaffnete Konflikte, zwischenstaatliche Konflikte und Situationen des öffentlichen Notstandes. Die in dieser Erklärung enthaltenen Normen müssen unter allen Umständen berücksichtigt werden.

Artikel 2

Diese Normen sind verbindlich für und anwendbar auf alle Personen, Gruppen und Obrigkeiten ungeachtet ihres gesetzlichen Status.

Artikel 3

Rechtswidrige Bevölkerungstransfers um- fassen eine Praxis oder Politik, die den Zweck oder das Ergebnis haben, Menschen in ein Gebiet oder aus einem Gebiet zu verbringen, sei es innerhalb internationaler Grenzen oder über Gren- zen hinweg, oder innerhalb eines, in ein oder aus einem besetzten Gebiet ohne die freie und informierte Zustimmung sowohl der umgesiedelten, als auch jeglicher aufnehmenden Bevölkerung.

Artikel 4

1. Jeder Mensch hat das Recht in Frieden, Sicherheit und Würde in seiner Wohnstätte, in seiner Heimat und in seinem Land zu verbleiben.

2. Niemand darf dazu gezwungen werden, seine Wohnstätte zu verlassen.

3. Die Verbringung einer Bevölkerung oder von Bevölketungsteilen darf nicht angeordnet, angeregt oder durchgeführt werden, es sei denn, ihre Sicherheit oder zwingende militärische Gründe verlangen es. Alle auf diese Weise verbrachten Personen haben das Recht, unmittelbar nach Beendigung der Umstände, die ih- ren Ortswechsel erzwungen haben, zu ihren Wohnstätten, in ihre Heimat oder an ihre Herkunftsorte zurückzukehren.

Artikel 5

Die Besiedlung eines besetzten oder umstrittenen Gebiets durch die Besatzungsmacht bzw. die es faktisch beherrschende Macht mit Teilen ihrer eigenen Zivilbevölkerung, sei es durch Transfer oder Anreize, ist rechtswidrig.

Artikel 6

Jedwede Praxis oder Politik, die das Ziel oder den Effekt hat, die demographische Zusammensetzung einer Region in der eine nationale, ethnische, sprach- liche oder andere Minderheit oder eine autochthone Bevölkerung ansässig ist, zu ändern, sei es durch Vertreibung, Umsiedlung und/oder durch die Seß- haftmachung von Siedlern oder eine Kombination davon, ist rechtswidrig.

Artikel 7

Bevölkerungstransfers oder -austausche können nicht durch internationale Vereinbarungen legalisiert werden, wenn sie grundlegende Bestimmungen der Menschenrechte oder zwingende Normen des Völkerrechts verletzen.

Artikel 8

Jeder Mensch hat das Recht, in freier Entscheidung und in Sicherheit und Würde in das Land seiner Herkunft sowie innerhalb dessen an den Ort seiner Herkunft oder freien Wahl zurückzukehren. Die Ausübung des Rückkehrrechts schließt das Recht der Opfer auf angemessene Wiedergutmachung nicht aus, einschließlich der Rückgabe von Gütern, die ihnen im Zusammenhang mit dem oder als Ergebnis des Bevölkerungstransfers entzogen wurden, Entschädigung für jegliches Eigentum, das ihnen nicht zurückgegeben werden kann und allfällige andere, völkerrechtlich vorgesehene Reparation.

Artikel 9

Die oben genannten Praktiken des Bevölkerungstransfers stellen Völkerrechts- verstöße dar, die sowohl staatliche Verantwortlichkeit, als auch individuelle straf- rechtliche Verantwortung begründen.

Artikel 10

Wo durch diese Erklärung verbotene Taten oder Unterlassungen begangen werden, sind die internationale Gemeinschaft als ganze und die einzelnen Staaten dazu verpflichtet: a) die durch solche Taten geschaffenen Situationen nicht als rechtmäßig anzuerkennen; b) im Falle laufender Vorgänge die sofortige Beendigung und die Rückgängigmachung ihrer schädlichen Folgen sicherzustellen; c) dem Staat, der eine solche Tat begangen hat oder noch begeht, bei der Aufrechterhaltung oder Verstärkung der dadurch geschaffenen Situationen keine Hilfe, Beihilfe oder Unterstützung zu gewähren, sei es finan- ziell oder in anderer Form.

Artikel 11

Die Staaten sollen Maßnahmen ergreifen, die die Verhinderung von Bevölkerungs- transfers und der Seßhaftmachung von Siedlern zum Ziel haben, einschließlich des Verbots der Anstachelung zum rassischen, religiösen oder sprachlichen Haß.

Artikel 12

Nichts in diesen Artikeln darf so ausgelegt werden, daß es den Rechtsstatus irgendeiner Obrigkeit oder von Gruppen oder Personen berührt, die in Situationen von innerstatlicher Gewalt oder von Krisen und Spannungen oder des öffentlichen Notstandes involviert sind.

Artikel 13

1. Nichts in diesen Artikeln darf so ausgelegt werden, daß es die Anwendung der Bestimmungen gleich welcher internationaler humanitärer oder menschenrechtlicher Instrumente beschränkt oder beeinträchtigt.

2. Falls unterschiedliche Normen auf dieselbe Situation anwendbar sind, soll diejenige Bestimmung gelten, die den größtmöglichen Schutz für von Bevölkerungstransfers betroffene Einzelpersonen oder Gruppen bietet.

Die "Draft Declaration on Population Transfer and the Implantation of Settlers" findet sich im Anhang zu: Sub-Commission on Prevention of Discrinination and Protection of Minorities, 49th session, Item 10 of the Provisional Agenda, Freedom of Movement, Human rights and population transfer, Final Report of the Special Rapporteur, Mr. Al-Khasawneh (E/CN.4/Sub.2/ 1997/ 23, 27 June 1997). Übersetzung: GfbV.