23.04.2005

Die Tuareg in Nordwestafrika - "Freie Menschen" in Not

Einzigartige Kultur vom Untergang bedroht

Als "stolze Ritter der Wüste" romantisch verklärt, stehen die Tuareg im Mittelpunkt zahlloser Filme und Romane. Doch die einzigartige Kultur dieser heute noch rund eine Million Nomaden ist vom Untergang bedroht. Ihr jahrhundertealtes Wissen, mit dem sie unter schwierigsten klimatischen Bedingungen überleben konnten, könnte für immer verlorengehen.

In ihrer eigenen Sprache nennen sich die Tuareg "freie Menschen". Ihr Gebiet erstreckt sich über acht nordwestafrikanische Länder und ist rund fünf Mal so groß wie Deutschland. Einst als Sklavenjäger von ihren schwarzen Nachbarn gefürchtet, sind die Tuareg heute selbst Opfer von Diskriminierung und Ausgrenzung. Ihre "Freiheit" wird ständig weiter eingeschränkt: Traditionelle Wanderwege ihrer Herden sind jetzt durch Staatsgrenzen zerschnitten, Zölle behindern den Handel. So brechen auch die sagenumwobenen Kamelkarawanen der Tuareg immer seltener auf, um Produkte einzuhandeln, die sie selbst nicht herstellen können.

"Mein Vater war Nomade, ich bin Nomade, meine Kinder werden Nomaden sein," erklärt der 50jährige Tuareg Inaka. "Das ist das Leben meiner Vorfahren. Das ist das Leben, das wir kennen und schätzen." Die Regierungen von Mali, Niger, Libyen, Mauretanien, Burkina Faso und Nigeria jedoch wollen alle Tuareg dazu bringen, seßhaft zu werden.

Flucht vor Dürrekatastrophen

In den extremen Dürreperioden der 70er und 80er Jahren verendeten zahllose Kamele, Schafe, Ziegen und Rinder der Tuareg. Notgedrungen gaben viele ihr Nomadenleben auf und flohen vor der Trockenheit nach Algerien und Libyen. Dort verdingten sie sich als Gastarbeiter in der Erdölindustrie und anderen modernen Berufen. Etliche Tuaregfamilien ließen sich als Gartenbauern in den Oasen der Sahara nieder.

Die Tuareg-Revolte

Mit dem Niedergang der Erdölindustrie mußten die Gastarbeiter nach Mali und Niger heimkehren. Den Rückkehrern war Hilfe bei der Wiedereingliederung versprochen worden. Doch sie blieb aus, und die Tuareg organisierten Proteste. Die Regierungen Malis und Nigers reagierten mit Verhaftungen und Folter. Daraufhin brach 1990 eine Revolte unter den Tuareg aus. Sie griffen zu den Waffen und bildeten Widerstandsorganisationen. Ihre Überfälle auf Polizeistationen beantwortete das Militär mit brutaler Gewalt gegen unschuldige Zivilisten. So wurden auf der Suche nach mutmaßlichen Angreifern wahllos Tuareg verhaftet, gefoltert, vergewaltigt und erschossen.

Als Tuareg-Rebellen bei einem Überfall Waffen erbeuteten, verwüsteten Soldaten in der Stadt Timbuktu in Mali am 11. Mai 1991 systematisch die Geschäfte von Tuareg und verhafteten zahllose Zivilisten. Nur wenige Tage später wurden in der Stadt Léré 50 führende Persönlichkeiten der Tuareg von der Armee standrechtlich erschossen. Bei den Übergriffen der Militärs starben mindestens 2.000 Tuareg. Zehntausende flüchteten. So suchte rund die Hälfte der Tuareg-Bevölkerung Malis Schutz in den Nachbarländern.

Zerbrechlicher Frieden

Die Tuareg-Revolte wurde in Mali im April 1992, in Niger drei Jahre später mit der Unterzeichnung von Friedensverträgen beendet. Mit internationaler Hilfe konnten die Flüchtlinge zurückkehren. Die malische Regierung besserte den Friedenspakt 1996 nach und nahm Tuareg-Rebellen in die Armee des Landes auf. Im demokratisch regierten Mali ist der politische Wille zur "Entwicklung" der Tuareg-Gebiete erkennbar. Trotzdem gibt es zahlreiche Probleme. So werden zwar Krankenhäuser gebaut, doch es fehlt an Straßen, um Medikamente herbeizuschaffen. Im Nachbarland Niger gefährden Militärputsche immer wieder den Frieden. Und bis heute warten die Tuareg auf die ihnen zugesicherte Autonomie und finanzielle Förderung.

 

Die Tuareg brauchen Unterstützung

Die Tuareg haben keine Lobby in Afrika. In den nordwestafrikanischen Staaten sind sie jeweils eine von vielen Minderheiten. Sie leben am Rande der Gesellschaft und werden immer weiter ins Abseits gedrängt.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) setzt sich dafür ein,

     

  • daß die bedrohliche Lage der Tuareg international bekannt wird
  • daß die Tuareg in ihrem traditionellen Lebensraum (über)leben und arbeiten können, damit ihr einzigartiges Wissen und ihre jahrhundertealte Kultur nicht verlorengehen
  • daß die Regierungen Nigers und Malis in die Verantwortung genommen werden, die den Tuareg gegebenen Zusicherungen auch zu verwirklichen
  • daß europäische Entwicklungshilfe die Interessen der Tuareg berücksichtigt
  • daß auch die Tuareg, deren Viehherden Dürrekatastrophen zum Opfer fielen und moderne Berufe ausüben wollen, endlich menschenwürdig leben können.
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{bild2}Dieser Text (Mai 1999) ist kostenlos

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Redaktion: Inse Geismar, Fotos: Georg Klute