08.09.2011

Ethnische Minderheiten leiden unter Antiterror-Kampf

10. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September

Mehr als 200 Millionen Angehörige ethnischer Minderheiten in elf Staaten Afrikas und Asiens leiden unter den Folgen des Antiterror-Kampfes. Darauf weist die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) anlässlich des zehnten Jahrestages der Terroranschläge auf das World Trade Center in New York und das Pentagon bei Washington D.C. hin. Am stärksten vom Antiterror-Kampf betroffen sind die muslimischen Nationalitäten der Uiguren im Nordwesten Chinas und der Pattani im Süden Thailands. Denn die Regierungen der beiden Länder nutzen die weltweite Antiterror-Koalition, um hausgemachte Konflikte als Probleme des internationalen Terrorismus darzustellen. Mit diesem „Etikettenschwindel“ erhoffen sie sich mehr internationale Unterstützung bei der Niederschlagung von Protesten gegen ihre Regierungspolitik. In Afrika leiden vor allem die Tuareg unter der wachsenden Militarisierung der Sahara. Immer mehr Staaten intervenieren dort militärisch, um den Einfluss der Terrorbewegung „El Kaida im Maghreb“ einzudämmen.

In zahlreichen weiteren Staaten, deren Regierungen als gemäßigt muslimisch gelten, leiden Angehörige ethnischer Minderheiten indirekt unter den Folgen des Antiterror-Kampfes. So haben Menschenrechtsverletzungen an Balutschen, Christen und Ahmadiyya in Pakistan dramatisch zugenommen. Dies wird von der internationalen Gemeinschaft weitgehend ignoriert. Die Europäische Union (EU) und die USA bleiben untätig, um die Mitarbeit des Verfolgerstaates in der Antiterror-Koalition nicht zu gefährden. Christen und Ahmadiyya in Pakistan werden Opfer willkürlicher Anklagen aufgrund umstrittener Strafbestimmungen zu angeblicher Gotteslästerung. Christliche Menschenrechtler und Politiker müssen um ihr Leben fürchten und werden von den Sicherheitsbehörden nicht ausreichend geschützt. In den Minderheiten-Regionen der Balutschen lassen pakistanische Sicherheitsbehörden systematisch Regierungskritiker verschwinden, foltern und ohne Gerichtsverfahren inhaftieren.

In Indonesien schweigt die Antiterror-Koalition zur wachsenden Zahl von Übergriffen auf christliche Kirchen und die Ahmadiyya-Religionsgemeinschaft sowie zur anhaltenden Verfolgung im indonesischen Westpapua. Willkürliche Verhaftungen und Folter von Papua-Aktivisten oder Regimekritikern auf den Molukken werden von der internationalen Staatengemeinschaft nicht kritisiert. Die Regierung des bevölkerungsreichsten muslimischen Staates der Welt soll offenbar nicht verärgert werden.

Auch in Algerien, Marokko und der völkerrechtswidrig besetzten Westsahara bleiben Menschenrechtsverletzungen an Berbern, Tuareg und Sahauris u.a. ungesühnt, weil die Antiterror-Koalition nicht auf einem Ende der Straflosigkeit besteht. Äthiopien und Somalias Übergangsregierung werden nicht für Kriegsverbrechen und die willkürliche Verfolgung einzelner Volksgruppen oder Regimekritiker zur Verantwortung gezogen, weil sie als „Bollwerk“ gegen das Vordringen von El Kaida im Horn von Afrika gelten. Doch dieses „Bollwerk“ ist morsch, weil es die eigenen Gesetze missachtet und grundlegende Menschenrechte systematisch verletzt. So verliert die Antiterror-Koalition nach Auffassung der GfbV ihre Glaubwürdigkeit, weil sie in Menschenrechtsfragen mit zweierlei Maß misst.