05.10.2017

Europäische Union brüskiert Minderheiten in Europa

Streit um Zukunft Kataloniens (Pressemitteilung)

Eines ist ganz deutlich aus den Reaktionen der Mitgliedsstaaten und der EU-Institutionen abzulesen: Die EU ist eine Organisation der Staaten und nicht eine Gemeinschaft der Europäer oder gar der Regionen bzw. Minderheiten. Foto: pixabay.com

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat der Europäischen Union (EU) vorgeworfen, mit ihrem Verhalten im Katalonien-Streit die Minderheiten in Europa zu brüskieren. „Wenn die Europäische Kommission einseitig für Spaniens Regierung Partei ergreift, dann ist dies ein Schlag ins Gesicht der mehr als 800 Verletzten, die bei dem brutalen Polizei-Einsatz am letzten Sonntag verletzt wurden. Damit hat die EU nicht nur in Katalonien, sondern auch in anderen Regionen sowie im Kreise der Minderheiten Europas viele Sympathien verspielt“, erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. Der Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, hatte sich gestern Nachmittag in einer Aktuellen Stunde des Europaparlaments erneut ohne Vorbehalt auf die Seite der Madrider Zentralregierung geschlagen und das Katalonien-Referendum für illegal erklärt.

„Die Eskalation der Spannungen in Katalonien und die kompromisslose Positionierung der EU auf Seiten der spanischen Regierung, haben die Minderheiten in Europa aufgeschreckt“, erklärte Delius. Rund 50 Millionen Menschen in der EU gehören einer autochthonen Minderheit an. Die meisten dieser Minderheiten - wie die Sorben in der Lausitz, die Friesen in den Niederlanden, die Ungarn in Rumänien oder die Türken in Griechenland - denken nicht an die Schaffung eines unabhängigen Staates. Doch viele dieser Gruppen sahen bislang in der EU einen Verbündeten in den oft komplizierten Beziehungen zu ihren Staaten und als Unterstützer ihrer Bestrebungen, die eigene Sprache und Kultur zu bewahren.

„Dieses Vertrauen und die überwiegend pro-europäische Haltung in den Minderheitenregionen sind tief erschüttert. Die Europäische Kommission spricht davon, ein Europa der Bürger bauen zu wollen, doch die Reaktion auf die Ereignisse in Katalonien ist eine bittere Enttäuschung für alle diejenigen, die sich für ein Europa der Bürger, ein Europa der Regionen und ein Europa der Minderheiten einsetzen.  Eine große Chance wurde vertan, den Bürgern in Europa zu zeigen, dass sich die EU um ihre Belange kümmert und versucht zu vermitteln.

Eines ist ganz deutlich aus den Reaktionen der Mitgliedsstaaten und der EU-Institutionen abzulesen: Die EU ist eine Organisation der Staaten und nicht eine Gemeinschaft der Europäer oder gar der Regionen bzw. Minderheiten. Die Macht des Nationalstaates soll unter allen Umständen gewahrt bleiben, koste es, was es wolle. Das treibt jedoch die Vertreter der Minderheiten und Regionen immer weiter von ihrem mehrheitlich pro-europäischen Kurs direkt in die Arme von Nationalisten und politischen Extremisten. Doch man muss nicht britischer oder flämischer Rechtsextremist sein, um Spaniens Verweigerung der Vermittlung und des Dialogs für töricht zu halten“, erklärte Delius.