09.03.2016

Im Schatten von TTIP und CETA: Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam

Menschenrechte in Vietnam sollten von der EU gefördert werden (Artikel)

Die Europäische Union möchte immer mehr Freihandelsabkommen abschließen, um den Wirtschaftsaustausch zu verstärken. Zwei dieser Abkommen werden in der Öffentlichkeit stark diskutiert: CETA und TTIP. Weniger Beachtung findet dabei das Freihandelsabkommen mit Vietnam. Foto: Khánh Hmoong via Flickr

Wenn wir am Morgen aufstehen und einen Kaffee trinken, brühen wir uns wahrscheinlich Kaffee aus Vietnam: Jede vierte Tasse des Muntermachers in Deutschland stammt aus dem südostasiatischen Land. Während der Kaffee durchläuft lesen wir kurz die neuesten Nachrichten über unser Smartphone. Auch hier ist die Chance groß, dass es in Vietnam hergestellt wurde. Große Firmen wie Samsung, Nokia, LG oder der Apple-Zulieferer Foxconn lassen viele ihrer elektronischen Geräte in Vietnam anfertigen. Und selbst Schuhhersteller wie Clarks oder Nike haben Produktionsstätten in Vietnam. In unserem Alltag begegnen wir also ständig Produkten aus Vietnam. Es scheint daher nicht falsch, dass die Europäische Union ein Freihandelsabkommen mit Vietnam abschließen will, um die wirtschaftlichen Beziehungen zu vertiefen. Doch es ist nicht immer alles Gold, was glänzt.

Die Europäische Union möchte immer mehr Freihandelsabkommen, die unter anderem Zollfreiheit und keinerlei Beschränkungen bei Exporten beinhalten, abschließen. Ihr Ziel ist es, den Wirtschaftsaustausch zu verstärken. Zwei dieser Abkommen werden in der Öffentlichkeit stark diskutiert: CETA und TTIP. Weniger Beachtung findet dabei das Freihandelsabkommen mit Vietnam. Das Land ist einer der bedeutendsten Handelspartner Europas in Südostasien. Im November 2015 haben die EU-Kommission und Vietnam deswegen bereits das Abkommen unterzeichnet. Der Vertrag soll als Modell auch für andere Freihandelsabkommen dienen. Doch damit er gültig wird, muss das Europaparlament noch zustimmen.

Menschenrechtler kritisieren, dass das Abkommen mit Vietnam Menschenrechtsfragen weitgehend ignoriert. Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern werden zwar erwähnt, nicht aber allgemeine Menschen- und Bürgerrechte. Selbst die  Europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly warf der EU-Kommission nach einer Beschwerde im Februar 2016 vor, die Menschenrechtslage in Vietnam vor der Unterzeichnung des Abkommens nicht ausreichend geprüft zu haben. So hat Vietnam mit seiner autoritären Staatsstruktur die höchste Anzahl politischer Gefangener in Südostasien. Unter ihnen sind Landrechtsaktivisten, Gewerkschafter, aber auch Anhänger von Religionsgemeinschaften, Angehörige ethnischer Minderheiten und Blogger. Auch die Pressefreiheit wird massiv verletzt.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker engagiert sich immer wieder zu inhaftierten Landrechtsaktivisten und fordert seit Langem mehr Schutz für ethnische und religiöse Minderheiten sowie für Kleinbauern. Die intensive Produktion von Kaffee führt zur Verdrängung und Leugnung der Landrechte der Ureinwohner und zur brutalen Niederschlagung von Protesten der Indigenen. In dem Land des Drachens haben Bauern nämlich kein Eigentum an ihrem Land. Der Staat kann es jederzeit einziehen. Auch kontrollieren die Behörden die Medien und das Justizwesen sowie alle Religionsgemeinschaften.

Die Bürgerinnen und Bürger Vietnams brauchen dringend mehr Respekt ihrer grundlegenden Bürgerrechte. Universelle Menschenrechte ins Freihandelsabkommen mit Vietnam aufzunehmen, wäre ein erster Schritt in diese Richtung. Nur das Europaparlament hat nun noch die Möglichkeit, dieses Handelsabkommen abzuändern und für einen umfassenden Schutz der Menschenrechte zu sorgen. Die abgeänderte Form kann dann gewährleisten, dass Landraub und willkürliche Verhaftungen von Aktivisten verhindert werden. Deswegen haben wir an alle Fraktionsvorsitzenden im Europaparlament appelliert. Sie sollen dafür sorgen, dass Menschenrechte auch in Handelsbeziehungen der EU ausreichend berücksichtigt werden. Menschenrechte in Vietnam sollten von der EU gefördert und nicht ignoriert werden!


Header Foto: Khánh Hmoong via Flickr