29.09.2021

Für billiges Soja

Eisenbahn und Wasserstraße bedrohen den Amazonas

Brennende Wälder und Abholzung, vertriebene indigene Gemeinschaften: Das sind die Auswirkungen der Produktion von Soja und anderen Agrarprodukten im brasilianischen Amazonas. Nun sollen eine Eisenbahn und eine Wasserstraße die Güter noch schneller ins Ausland transportieren. Massive Umweltschäden wären die Folge, indigene Rechte würden verletzt. An mehreren Projekten sind auch deutsche Finanzinstitute beteiligt.

Im brasilianischen Amazonas sind riesige Infrastrukturprojekte geplant: Das Tapajós-Wasserprojekt, das aus einer Wasserstraße, sieben großen Dämmen und 29 kleinen Wasserkraftwerken besteht, und die rund tausend Kilometer lange „Ferrogrão“-Eisenbahnlinie. Sie sollen Güter wie Soja und Rindfleisch schneller und günstiger ins Ausland transportieren. Einer Studie zufolge würde wegen der Wasserprojekte ein Gebiet von mehr als 780 Quadratkilometern geflutet – bisher geschütztes Land der indigenen Gemeinschaften. Zudem wäre für den Bau der Eisenbahn eine Verschiebung der Grenzen des Naturschutzparks Jamanxim nötig. Dies würde das bisher geschützte Gebiet für die wirtschaftliche Nutzung öffnen und massive Umweltschäden mit sich bringen.

Leidtragende der Projekte wären insbesondere die indigenen Gemeinschaften. „Diese Projekte bringen nichts als Zerstörung für uns. Wir werden alles verlieren: unsere Kultur, unsere Sprache, unsere Bräuche“, sagt Juarez Munduruku, Anführer des Dorfes Sawre Muybu. Das Dorf wäre direkt von den geplanten Wasserprojekten betroffen. Durch das Ausbaggern des Flusses würde das Flussbett zerstört und wichtige Nebenflüsse zugeschüttet, fürchtet er. Auch die Fische, wichtige Nahrungsquelle der indigenen Gemeinschaften, wären bedroht. „Und das alles nur, um Soja noch billiger zu machen und den Amazonas noch mehr auszubeuten!“, ergänzt der Dorfführer. Die direkt betroffene indigene Bevölkerung kann bei der Planung der Projekte allerdings nicht mitreden. Das zeigt ein heute veröffentlichter Bericht der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Schweiz. Damit wird ihr Recht auf vorherige, freie und informierte Zustimmung missachtet.

Die Ferrogrão-Eisenbahnlinie und die Wasserprojekte stecken in der Planungsphase. Direkte Finanzierungen stehen deshalb noch nicht fest. Es ist aber bekannt, welche Firmen sich für den Bau respektive den Betrieb der Projekte interessieren. Der neue Bericht der GfbV zeigt nun erstmals auf, welche Finanzinstitute diese potenziellen Beteiligten finanzieren. 

Den potenziellen Beteiligten am Ferrogrão-Projekt gewährten Finanzinstitute Kredite im Gesamtwert von 235 Milliarden US-Dollar. Den potenziellen Beteiligten am Tapajós-Wasserkraftwerkskomplex und an der Tapajós-Wasserstraße gewährten Finanzinstitute Kredite im Gesamtwert von 279 Milliarden US-Dollar. Die größten Kreditgeber kommen aus den USA, Spanien und Frankreich. Aber auch die Deutsche Bank und der Versicherungskonzern Allianz wollen die Projekte mitfiananzieren.

Menschenrechtsaktivistin Alessandra Munduruku findet klare Worte bezüglich der Verantwortung von Finanzinstituten: „Die Banken sind mitschuldig am Tod des Amazonas-Regenwaldes. Ohne sie gäbe es keine Eisenbahn, keine Wasserstrasse und keine Kraftwerke.“ Die indigenen Gemeinschaften fordern die Banken dazu auf, ihre Unternehmensverantwortung wahrzunehmen und ihre Finanzierung an die Einhaltung der Menschenrechte zu knüpfen. „Jetzt ist der Moment zum Handeln, bevor der Schaden angerichtet ist!“, sagt Juarez Munduruku.

Die GfbV unterstützt die Betroffenen in ihren Anliegen. „Die Firmen müssen die Rechte der indigenen Gemeinschaften beachten, ansonsten drohen massive Reputationsschäden und finanzielle Kosten“, sagt Julia Büsser, Kampagnenleiterin der GfbV. Der neue Bericht weist die Finanzinstitute bereits vor dem Bau der Projekte auf irreversible soziale und ökologische Schäden hin, welche die Projekte verursachen würden, und fordert die Firmen auf, aktiv zu werden.

Die geplanten Infrastrukturprojekte reihen sich in die wirtschaftliche Erschließung des Amazonas-Regenwaldes ein, die seit mehreren Jahrzehnten andauert. Zuletzt sorgten der Bau der Transamazônica-Strasse und der Belo Monte-Staudamm für Kritik. Die Beispiele zeigen nach Ansicht der GfbV exemplarisch: Um Infrastrukturprojekte nachhaltig zu gestalten, muss neben der ökologischen zwingend auch die soziale Komponente berücksichtigt werden.

Den vollständigen Bericht finden Sie hier.