20.06.2017

Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung (20.6.)

Ostpreußische Wolfskinder nicht vergessen und unschuldige Kriegsopfer endlich entschädigen (Pressemitteilung)

Ursula Dorn (links) im Zeitzeugengespräch bei der Hausveranstaltung "Wolfskinder" mit Dr. Christopher Spatz am 08.12.2016. Foto: GfbV-Archiv

 Mit einer Mahnwache während der Feierstunde der Bundesregierung zum Gedenken an die Opfer von Flucht und Vertreibung hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Dienstag in Berlin an die vergessenen Wolfskinder und Kinderhausinsassen aus Ostpreußen erinnert.

Die Menschenrechtsorganisation appellierte an Bundesinnenminister Thomas de Maizière, das schwere Schicksal dieser unschuldigen Kriegsopfer aus Ostpreußen offiziell anzuerkennen und ihnen - wie anderen Opfergruppen auch – endlich eine Wiedergutmachung zu gewähren. „Die Wolfskinder und Kinderhausinsassen wurden Zeit ihres Lebens ungerecht behandelt“, heißt in dem GfbV-Appell, den auch der Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Uwe Neumärker, Romani Rose als Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, der Schriftsteller Martin Walser und das frühere Staatsoberhaupt Litauens, Vytautas Landsbergis, unterzeichnet haben. Es sei an der Zeit, dass der Kampf dieser Menschen um die Anerkennung ihres unerhörten Leids einen würdigen Abschluss findet und ihnen endlich unbürokratisch eine Entschädigungszahlung gewährt wird.

Im Gegensatz zu allen anderen deutschen Kindern, die westlich der Oder-Neiße-Grenze lebten, hatten die Wolfskinder in Ostpreußen als arbeitsunfähige Zivilisten keinen Anspruch auf Lebensmittelzuteilungen. Dank vieler Zufälle haben die Wolfskinder die Schrecken der sowjetischen Besatzung überstanden. Ihre Eltern jedoch haben sie durch Mord, Vergewaltigung, Verschleppung, Hunger oder Krankheit verloren. Manche Kinder landeten in sowjetischen Heimen. Tausende flohen ganz allein nach Litauen, oft versteckt auf Güterzügen, bettelten oder arbeiteten schwer für etwas Essbares. Litauer nahmen sie auf, gaben ihnen neue Namen. Viele Wolfskinder vergaßen ihre Herkunft, gründeten selbst Familien in Litauen. Dann blitzte die Erinnerung auf. Seitdem quälen sie die alten Bilder. Einzelne Vorstöße, Wiedergutmachung zu bekommen, wurden bisher von deutschen Behörden abgewiesen mit der Begründung, die Kinder und ihre Mütter seien in der Nachkriegszeit nicht zwangsweise an einem Ort festgehalten worden.

Flucht, Vertreibung und das Hungersterben haben bei diesen heute alten Menschen tiefe seelische Wunden hinterlassen, die Bundespräsident a.D. Christian Wulff bei einem Empfang von Wolfskindern im Schloss Bellevue im Mai 2011 würdigte: „Wie groß müssen Ihr Schmerz, Ihre Verwirrung darüber gewesen sein, dass Sie glauben mussten, Ihre Eltern hätten Sie verlassen oder lebten nicht mehr. Ich möchte Ihnen meine Bewunderung ausdrücken für Ihren Lebensmut, dafür, dass Sie Ihr Leben trotz schwierigster, kaum vorstellbarer Bedingungen gemeistert haben.“

Header Foto: GfbV-Archiv