28.04.2005

Internationale Drogenbekämpfung mit verheerenden Folgen

Kolumbien - Synonym für Drogen und Gewalt?

Seit Beginn der 90er Jahre haben sich Drogenproduktion und Drogenhandel von der Cannabis-Produktion zugunsten von Koka und Schlafmohn bzw. deren Derivaten Kokain, Opium und Heroin verschoben. Mehr denn je ist die Drogenfrage dabei eng mit der strukturellen und der militärischen Gewalt, mit der massiven Zerstörung autochthoner Kulturen, mit hochgradiger Korruption staatlicher Einrichtungen und Geldwäschereien in Milliarden-Dollar-Dimensionen verbunden.

Die steigende Nachfrage in den Abnehmerländern und die enormen Erleichterungen für globalen Handel in den 1990er Jahren, die auch von der Drogenmafia genutzt werden, unterstützen diesen Prozess. In Kolumbien, wo aufgrund der Jahrzehnte alten militarisierten Kämpfe zwischen der klassischen Drogenmafia und dem Staat sowie zwischen diversen Guerillagruppen und den staatlichen Streitkräften die Gewaltbereitschaft ohnehin groß ist, führte dieser Prozess zu ganz entscheidenden qualitativen Veränderung.

Heute lässt sich die These wagen, dass ein politischer Dissens zwischen den legalen staatlichen Eliten Kolumbiens und den Guerillas nur noch aus Gründen des politischen Marketing aufrechterhalten wird. Tatsächlich ist der Drogenhandel ein verbindendes Element zwischen Teilen der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Elite Kolumbiens, den beiden Hauptguerilla-Organisationen FARC und ELN, den Paramilitärs und der eigentlichen Drogenmafia. Sie alle streben die Kontrolle über die Anbauregionen, die Exportkorridore für die Drogen und die Importkorridore für Waffen und verbotene Chemikalien zur Drogenherstellung an.

Zwangsläufige Folge ist eine Zunahme von Menschenrechtsverletzungen, von Massenmorden und einer gewaltigen Migrationsbewegung der armen Kleinbauern und Landarbeiter sowie indigener Volksgruppen im nördlichen Choco sowie in Putumayo und Amazonia in Südkolumbien. Denn die für den Koka- und Mohnanbau geeigneten Flächen sind meist identisch mit traditionellen Anbaugebieten für kleinflächige Landwirtschaft und damit wichtig für die lokaler Versorgung der Bevölkerung. Sie werden Ziel des Drogenkrieges um die Herrschaft über die neuen Drogenplantagen und die Absatzwege. Seit kurzem kommt die von den USA lancierte Drogen- und Guerillabekämpfung namens "Plan Colombia" hinzu.

Dieser "Plan Colombia" wurde im Jahr 2000 vom US-Kongress verabschiedet. 1,3 Mrd. US$ wurden dafür bewilligt. Rund 80 Prozent der Summe entfallen auf die Militärhilfe, fließen jedoch zu weit mehr als der Hälfte direkt der US-Rüstungsindustrie für Waffen, Munition oder Kampfhubschrauber zu. Außenpolitisch dient der Plan den Sicherheitsinteressen der USA, denn der nationale kolumbianische Konflikt könnte sich auf die angrenzenden Länder ausweiten, weil die Ursachen für die Entstehung der Guerillas und der Paramilitärs vom kolumbianischen Staat nicht beseitigt werden. Ein drittes starkes Motiv liegt in der Zugangssicherung für amerikanische Unternehmen zu strategischen Rohstoffen wie Erdöl, Tropenholz, dem genetischen Reichtum Amazoniens, Metallen und den enormen Süßwasservorräte dieser andinen Region.

Von den für Kolumbien direkt bestimmten Geldern ist ein wichtiger Teil für die Besprühung der Koka- und Mohnfelder mit dem bereits seit 1986 verwendeten Glyphosat und dem jetzt hinzu kommenden gentechnisch veränderten Pilz "Fusarium Oxysporum" vorgesehen. Die kolumbianische Regierung hat zwar versichert, dass sie einer Verwendung des Pilzes unter keinen Umständen zustimmen wird, ist aber auf die Forderungen der Bauern, die Koka-Felder ausschließlich per Hand zu vernichten, nicht eingegangen.

"Fusarium Oxysporum" wird selbst von US-Experten als große Gefahr für die Vegetation Amazoniens bezeichnet, denn er zerstört die Wurzeln der Pflanzen, mit denen er in Kontakt kommt, kann bis zu 40 Jahre im Boden überleben und vermehrt sich mit einer ungeheuren Geschwindigkeit. Auch andere Pflanzenarten als Koka können von dem Pilz befallen werden. 1991 führte "Fusarium Oxysporum" im Huallaga-Tal im Osten Perus bereits zu einem Absterben unterschiedlichster Pflanzen, das die Einwohner "seca-seca" ("völlige Vertrocknung") nannten. Auch in Kolumbien haben Kokabauern aus Caqueta mit Fotos von vertrockneten Bananen-, Maniok- und Erbsenfelder die vernichtende Wirkung des Pilzes nachgewiesen.

Das seit langem eingesetzte Glyphosat wird zusammen mit einer Reihe weiterer Chemikalien eingesetzt, die allein oder in Verbindung mit Glyphosat wesentlich schädlicher sind als der Grundstoff selbst. Es liegen Informationen darüber vor, dass die empfohlene Dosis derzeit oft um ein Vielfaches überschritten wird. Auch die Kleinbauern bringen häufig "Gegen-Chemikalien" in hohen Dosen aus, um ihren Anbau gegen die staatlichen Sprühmaßnahmen zu schützen. Die Gesamtmasse an Chemikalien ist daher gewaltig.

Die indianischen und afrokolumbianischen Kleinbauern und die regionalen Bauerngemeinden beklagen schon jetzt die fatalen Folgen der Besprühungen. "Wenn unsere Felder erst mal vom Pilz befallen sind, müssen wir, die rund 500.000 Bauern, die wir in Putumayo leben, wegziehen. Denn überall dort, wo der Pilz sein Unwesen treibt, gedeiht gar nichts mehr", fasste ein Koka-Bauer Ende 2000 seine Erfahrungen zusammen. In südlichen Landesteilen Kolumbiens ist es bereits zu akuten Hungerproblemen gekommen. Die Nutztiere erkranken oder verenden. Die Trinkwasserqualität wird erheblich beeinträchtigt. Die Folge entweder verstärkter Koka-Anbau, um wenigstens die finanziellen Schäden auszugleichen. Oder die Menschen wandern zu Hunderttausenden in andere Landesteile ab. Schon jetzt tragen die Ersatzrodungen vertriebener Kleinbauern besonders im südlichen Kolumbien einschließlich Amazoniens unmittelbar zu heftigen unkontrollierten Eingriffen in das Ökosystem Regenwald bei.

Mittlerweile wird die vielschichtige Kritik an der Antidrogenpolitik vom Drogenkontrollorgan der UNO in Wien UNDCP geteilt. Deren Direktor Pino Arlacchi bestätigte in einem offiziellen Schreiben vom 2. November 2000 an internationale NGOs, dass UNDCP die Besprühungen von Koka- und Mohn-Feldern ebenfalls ablehnt. Für die Kritiker in Kolumbien und im Ausland ist kaum nachvollziehbar, wie zwischen Ministerien, Antidrogenpolizei, Militärs, regionalen Umweltbehörden und nordamerikanischen Empfehlungen entschieden wird, welche Flächen besprüht werden und welche nicht.

Über Regierungskanäle, aber auch über NROs und UN-Organisationen häufen sich Informationen, dass die Antidrogen-Polizei die Sprühmaßnahmen weitgehend autonom entscheidet. Die für die regionale Umweltpolitik maßgeblichen staatlichen Körperschaften sollen teilweise gegen ihre ausdrücklichen Proteste zu Informations-Dienstleitungen im Zusammenhang mit geplanten Sprühaktionen aufgefordert werden. Dies, die diplomatische Kritik aus den Nachbarländern Ecuador, Peru, Brasilien und auch die Proteste der Menschen, die von ihrem Land schon flüchten mussten, macht für die Europäer eine Beteiligung an einer solchen Form der Drogenbekämpfung unmöglich. Es ist u.a. eine Frage von unterschiedlichem Demokratieverständnis.

Der "Plan Colombia", so wie er aus US-Perspektive angelegt ist, hilft weder den Krieg im Lande noch die Drogenproduktion abzubauen. Die verschiedenen bewaffneten Akteure setzen vielmehr alles daran, die territoriale Kontrolle sowohl über die Produktions- und Verarbeitungsgebiete von Koka und Mohn, als auch über die Routen für Drogenhandel und Waffenschmuggel auszuüben (im Choco, in der Cienaga Grande und Sierra Nevada, in den Grenzgebieten nach Venezuela, im Putumayo, in Amazonien etc). Denn beides sichert ihre Kriegsführung finanziell ab. Innerhalb und außerhalb Kolumbiens wächst daher die Besorgnis über die Intensivierung des bewaffneten Konfliktes im Lande und den gleichzeitigen Aufschwung des illegalen Anbaus von Drogen und des Drogenhandels. Nach dem Regierungswechsel im Weißen Haus mit George Bush als Präsident und General Powell als Außenminister nimmt diese Sorge in Europa und in Kolumbiens Nachbarländern Brasilien, Venezuela, Peru und Ecuador eher noch zu. Durch die Gewaltakte und durch die Zerstörung von Lebensraum verschlechtern sich die Menschenrechtsbedingungen. Für Millionen von Menschen verschärft sich die wirtschaftliche, soziale und politische Krise und damit die soziale Unruhe in der ganzen Region. Das aber wollten die USA eigentlich verhindern.

Elmar Römpczyk ist seit Jahren für verschiedene Institutionen in der Entwicklungszusammenarbeit in Lateinamerika tätig. Seit 2000 ist er Leiter verschiedener Umweltprojekte und Koordinator der Umweltpolitik-Beratung der GTZ in Kolumbien.