17.10.2017

Irak: Kampf um Kirkuk könnte neue Fluchtbewegung auslösen

Diplomatische Initiative der EU zur Beruhigung der Lage im Nordirak gefordert (Pressemitteilung)

Syrisches Flüchtlingslager in Erbil. Mindestens zwei Millionen Flüchtlinge sowie vertriebene Yeziden und Christen aus dem nordirakischen Sinjar und der Ninive-Ebene haben in Irakisch-Kurdistan Zuflucht gefunden. Foto: Mustafa Khayat via Flickr

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat nach dem Vorrücken der irakischen Armee und schiitischer Milizen in die bisher von Kurden gehaltene multiethnische und multireligiöse Stadt Kirkuk eine diplomatische Initiative der deutschen Bundesregierung und der EU-Regierungen gefordert, um die Lage im Nordirak zu beruhigen. „Ein weiterer Vormarsch der irakischen Armee und der vom Iran unterstützten Milizen wird die gesamte, seit Jahren relativ beständige Kurdenregion des Irak destabilisieren und zu einer großen Fluchtbewegung führen“, warnte der GfbV-Nahostreferent Kamal Sido am Dienstag in Göttingen. „Mindestens zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien sowie vertriebene Yeziden und Christen aus dem nordirakischen Sinjar und der Ninive-Ebene haben in Irakisch-Kurdistan - auch in der erdölreichen Provinz Kirkuk - Zuflucht gefunden. Wenn sie erneut vor blutigen Auseinandersetzungen flüchten müssen, werden viele keine Zukunft mehr im Irak sehen und sich auf den Weg nach Europa machen.“

Unter den Flüchtlingen sind nach GfbV-Angaben auch viele arabische Sunniten, die von den schiitischen Milizen pauschal verdächtigt werden, mit der sunnitischen Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) kooperiert zu haben. „Mehrere zehntausend sunnitische Araber aus dem Irak haben in Deutschland bereits Asyl beantragt. Viele von ihnen berichten von Gräueltaten an Angehörigen ihrer Volksgruppe durch schiitische Milizen in den mehrheitlich arabisch-sunnitischen Provinzen Al Anbar, Tikrit, Diyala oder Mossul im Westen bzw. im Norden des Irak“, berichtete Sido. Das Vorrücken der schiitischen Milizen auf Irakisch-Kurdistan könnte viele in Irakisch-Kurdistan lebende arabische Sunniten verunsichern, genauso wie Kurden, Yeziden und Christen, die bei den Angriffen des IS im Sommer 2014 Schlimmstes erleben mussten und traumatisiert sind.

Die GfbV appellierte an die Regierungen der EU-Staaten, ein Scheitern des friedlichen Zusammenlebens in Kirkuk zu verhindern. Es habe viele Anstrengungen gegeben, den Zusammenhalt zwischen allen Volksgruppen und Religionsgemeinschaften in dieser Region zu stärken, darunter eine von der GfbV-Sektion Kurdistan/Irak in Kirkuk organisierte große Konferenz unter der Schirmherrschaft des damaligen Bischofs von Kirkuk Dr. Luis Sako. Er ist heute Patriarch von Babylon und das Oberhaupt der chaldäisch-katholischen Kirche im Irak und in der Welt. An der Konferenz nahmen damals rund 150 Persönlichkeiten aller Nationalitäten und Religionsgemeinschaften wie der Kurden, Araber, Turkmenen, Assyrer-Aramäer-Chaldäer, Yeziden, Schabak, Mandäer, Christen und Moslems sowie Vertreter der regionalen kurdischen und irakischen Zentralregierung teil.

Header Foto: Mustafa Khayat via Flickr