02.12.2019

Menschenrechtler fordern mehr deutsches Engagement in der Katalonien-Frage

Minderheitenrechte müssen stärker gewichtet werden (Pressemitteilung)

von links: Elisenda Paluzie (Vorsitzende des Assemblea Nacional Catalana (ANC)), Jan Diedrichsen (Bundesvorsitzender GfbV) und Josep Costa (Vizepräsident des Katalanischen Parlaments (Parlament de Catalunya)).

--- Göttingen, den 2. Dezember 2019 ---- Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat mehr Engagement der deutschen Politik in der Katalonien-Frage gefordert. "Der Streit um Minderheitenrechte wird nach dem Brexit noch mehr die Zukunft der Europäischen Union (EU) bestimmen. Denn auch die Perspektiven Schottlands und Nordirlands sind ungeklärt. Die Lösung der Katalonien-Krise gehört zu einer der entscheidenden Zukunfts-Fragen der EU und muss als solche diskutiert werden, auf allen Ebenen, auch im Deutschen Bundestag“, erklärte der GfbV-Bundesvorsitzende Jan Diedrichsen. 

Nach einem zweitägigen Besuch in Berlin ist Ende letzter Woche eine hochrangige katalanische Delegation teilweise verwundert und enttäuscht abgereist. Bis auf die Partei „Die Linke“ gelang es mit keiner Fraktion des Deutschen Bundestages ins Gespräch zu kommen. Es hagelte Absagen.

Der Vizepräsident des katalanischen Parlaments (Parlament de Catalunya), Josep Costa und die Vorsitzende der größten nicht-staatlichen Organisation Assemblea Nacional Catalana (ANC), Elisenda Paluzie, waren in die Bundeshauptstadt gereist, um ins Gespräch zu gelangen. Ziel der Reise war ein Dialog mit deutschen Abgeordneten darüber, wie politisch in der festgefahrenen Katalonien-Krise weiter verfahren werden könne. Die Stimmung, so die Einschätzung der Gäste aus Katalonien, sei vor Ort äußerst angespannt und von Frustration geprägt. 

Der aktuelle Höhepunkt der Eskalation im Streit zwischen Barcelona und Madrid war im Oktober 2019 die Verurteilung von zehn Katalaninnen und Katalanen wegen „Aufruhrs“. Die Strafen fielen mit neun bis dreizehn Jahren Gefängnis drakonisch aus. Das Vergehen der Verurteilten bestand in der Planung und Durchführung eines Referendums zur Unabhängigkeit Kataloniens am 1. Oktober 2017.

 „Abgesehen von der Frage, ob das Referendum politisch klug oder völkerrechtlich vertretbar gewesen sein mag; abgesehen davon, ob man ein unabhängiges Katalonien befürwortet oder nicht, bleiben die Urteile, vor allem in ihrer Härte, ein Skandal“, kritisierte Diedrichsen. Es sei völlig ungeklärt, was mit Schottland oder Nordirland nach einem künftigen Brexit geschehen werde. Der wachsende Wunsch vieler Regionen Europas nach mehr Minderheitenrechten, Autonomie bis hin zur Unabhängigkeit, werde ebenfalls nicht einfach verschwinden, nur weil die damit verbundenen heiklen politischen Diskussionen ignoriert würden.