28.04.2005

Öl heizt den Krieg im Sudan an

USA und EU könnten westliche Konzerne im Südsudan bremsen

Der Sudan will seine Ölförderung in den umkämpften Fördergebieten im Süden des Landes weiter steigern. Bis Ende des Jahres 2005 soll die Produktion mehr als verdoppelt werden, täglich sollen 450.000 Barrel gefördert werden. Inzwischen finanziert die Ölproduktion einen Großteil der Kriegskosten des radikal-islamischen Regimes in Khartum. Mehr als 1,6 Millionen DM an Erlösen aus der Ölförderung fließen täglich in die Kassen des sudanesischen Staates. Da der Sudan dank der Öleinnahmen Rüstungskäufe bar bezahlen kann, hat die Einfuhr von Waffen und Munition Hochkonjunktur. So erwarb die sudanesische Armee kürzlich moderne Boden-Boden-Raketen, die sie Ende Mai 2001 erstmals in der Provinz Blauer Nil im Kampf gegen die Freiheitsbewegung Sudanesische Volksbefreiungsarmee (Sudan Peoples‘ Liberation Army, SPLA) einsetzte.

 

Zugleich treibt das radikal-muslimische Regime den Bau einer leistungsfähigen Rüstungsindustrie im eigenen Land weiter voran, um von Waffen- und Munitionsimporten unabhängiger zu werden, die gegebenenfalls durch internationale Sanktionen unterbunden werden könnten. "Wir werden Granaten und Panzer herstellen, später werden wir mit der Produktion von Jagdflugzeugen und Raketen beginnen," erklärte der sudanesische Präsident Omar el Bashir bei der Einweihung einer Rüstungsfabrik im Oktober 2000 (AP, 27.10.2000). Mit chinesischer Hilfe hat der Sudan jüngst drei Rüstungsfabriken in der Umgebung Khartums errichtet, in denen Waffen und Munition hergestellt werden (Middle East News Line, 17.06.2001).

Öl verschärft den Krieg im Sudan. Es hat das Kräfteverhältnis zwischen den Konfliktparteien im Sudan entscheidend zugunsten der sudanesischen Regierung verändert. Nicht nur finanziell, auch politisch erzielt Khartum unerwartete Erfolge. So importiert Äthiopien inzwischen Öl aus dem Sudan, auch in Kenia und Südafrika wird über Öleinfuhren aus dem Kriegsgebiet gestritten. Ungeachtet massiver Proteste der kenianischen Kirchen und der in dem Land lebenden Hunderttausend sudanesischen Flüchtlinge wird in Kenia bald Öl aus dem Sudan genutzt werden.

 

Die Abhängigkeit von den umstrittenen Ölimporten aus dem Nachbarland wird zu einer Veränderung der komplexen Kräfteverhältnisse in der Region führen. Sowohl Kenia als auch Äthiopien sind als Mitgliedstaaten der IGAD (Intergovernmental Authority for Development) seit 1993 entscheidend an der Suche nach einer Friedenslösung im Sudan beteiligt. In Kenia befindet sich das Sekretariat der IGAD und der kenianische Präsident Daniel Arap Moi hat zur Zeit den Vorsitz der Organisation inne, die mit der Entwicklung von Prinzipien für einen Frieden im Sudan den Grundstein für einen Friedensprozess im Sudan legte. Durch den Ölimport wird nun die Vermittlertätigkeit der IGAD erschwert.

Als im Morgengrauen des 5. August 2001 SPLA-Kämpfer mit Granaten Einrichtungen der Ölindustrie angriffen, wurde deutlich, dass der Krieg im Sudan immer mehr zum Kampf ums Öl wird. Bislang kämpfen vor allem verschiedene mit der sudanesischen Armee verbündete Milizen um die Kontrolle der Ölfelder. Mit ihrer Politik der verbrannten Erde haben sudanesische Soldaten und verbündete Milizen seit 1999 Zehntausende südsudanesische Nuer und Dinka aus dem Ölfördergebiet in Western Upper Nile vertrieben. Weideland der traditionellen Viehzüchter wurde gezielt niedergebrannt. Dörfer wurden geplündert, aus der Luft bombardiert und zerstört, Zivilisten misshandelt oder willkürlich erschossen. Systematisch behindert die sudanesische Regierung bis heute Hilfslieferungen für die notleidende Zivilbevölkerung in der Ölregion. Mit diesem Terror soll sichergestellt werden, dass internationale Unternehmen das Öl störungsfrei fördern können.

Doch die an der Ölförderung oder -exploration beteiligten kanadischen, schwedischen österreichischen, britischen, malaysischen und chinesischen Unternehmen geraten angesichts ihrer Aktivitäten im Sudan immer mehr unter Druck. So verabschiedete das US-Repräsentantenhaus am 13. Mai 2001 mit 422 zu zwei Stimmen einen Gesetzentwurf zum Sudan (Sudan Peace Act), der u.a. vorsieht, dass Aktien der im Sudan operierenden ausländischen Öl- und Erdgas-Konzerne nicht mehr an den US-Börsen und auf dem US-Kapitalmarkt gehandelt werden dürfen. Amerikanische Unternehmen dürfen bereits heute auf Anordnung des US-Präsidenten nicht im Sudan investieren oder mit dem Land Handel treiben.

 

Wirtschaftskreise in den USA kritisierten den Gesetzentwurf jedoch und kündigten an, auf den US-Senat und Präsident George Bush einzuwirken, um ein Inkrafttreten des Gesetzes zu verhindern. Zwar appellierten 36 "schwarze" Kongressabgeordnete des "Black Caucus" und zahlreiche kirchliche Organisationen an den Senat und den US-Präsidenten, die Sanktionen nicht zu verwässern. Mit den Sanktionen gegen die Firmen könne die US-Regierung ein deutliches Zeichen setzen, dass ihr ein Ende des Krieges im Sudan wichtiger sei als kurzfristige wirtschaftliche Interessen, erklärten die Befürworter eines entschiedeneren Vorgehens gegen internationale Ölkonzerne.

Doch die Bush-Administration machte aus ihrer Ablehnung dieser Passage der Gesetzesinitiative keinen Hehl. Eine Einschränkung des Zugangs zu dem US-Kapitalmarkt widerspreche dem Ziel der USA, einen freien Kapitalverkehr in der ganzen Welt zu gewährleisten, erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums (AFP, 08.08.2001). Tatsächlich fürchten die US-Regierung und die amerikanische Wirtschaft den beispielhaften Charakter einer solchen Sanktion. So soll vermieden werden, dass ähnlich weitreichende Strafmaßnahmen auch in anderen Fällen von Menschenrechtsverletzungen verhängt werden könnten, in denen US-Wirtschaftsinteressen stärker berührt werden.

 

Der kanadische Ölkonzern Talisman, der wegen seiner Aktivitäten im Südsudan heftig kritisiert worden war, nutzte die Diskussion um die Gesetzesinitiative in den USA, um ohne allzu großen Gesichtsverlust die Verlagerung seiner Sudan-Geschäfte nach Schweden anzukündigen. Gemeinsam mit der befreundeten schwedisch-schweizerischen Ölfirma Lundin Oil soll eine neue Gesellschaft in Schweden gegründet werden, die unter dem Namen Lundin Petroleum die Geschäfte im Sudan weiterbetreiben soll.

Wenige Stunden nach bekannt werden dieser Pläne appellierte die GfbV an den schwedischen Ministerpräsidenten und damaligen Ratspräsidenten der EU, Goran Persson, die EU müsse sich ihrer ständig wachsenden Verantwortung für den Krieg um Öl im Sudan endlich stellen und europäische Firmen zu einem Verzicht auf Investitionen in die sudanesische Ölindustrie bewegen. Angesichts von mehr als zwei Millionen Kriegs- und Völkermordopfern im Südsudan und in den Nuba Bergen und einer Flüchtlingstragödie in den Ölfördergebieten dürfe die EU die Mitverantwortung europäischer Ölkonzerne nicht länger ignorieren.

Internationale Sudan-Kampagne

 

Trommelwirbel vor dem Brandenburger Tor: Zum Auftakt einer europaweiten Kampagne trommelten sudanesische und deutsche Menschenrechtler auf Fässern verschiedener Ölkonzerne vor dem Büro der Europäischen Kommission in Berlin am 29 Mai 2001 gegen die katastrophalen Folgen der Ölförderung im Sudan. Mit der Kampagne, die in zehn europäischen Hauptstädten zeitgleich gestartet wurde, wendet sich das Europäische Bündnis "Öl im Sudan" gegen Investitionen in die sudanesische Ölindustrie und die Einfuhr von Öl aus dem Sudan, solange der Krieg in dem Land andauert. Dem deutschen Netzwerk dieses Europäischen Bündnisses gehören neben der GfbV u.a. auch Misereor, Brot für die Welt, der Evangelische Entwicklungsdienst und die Caritas Deutschland an.

Informationen über die Kampagne sind erhältlich bei der GfbV, Referat Afrika, Ulrich Delius, Tel. 0551/49906-27, Fax 0551/58028, E-Mail: afrika@gfbv.de oder bei dem

Deutschen Netzwerk "Öl im Sudan", c/o Werkstatt Ökonomie, Obere Seegasse 18, 69124 Heidelberg, Tel. 06221/720296, Fax 06221/781183, E-Mail: sudankampagne@woek.de