11.11.2019

Russlands Angriff auf die Zivilgesellschaft

Gericht ordnet Schließung indigener NGO an (Pressemitteilung)

Russlands indigene Völker leiden unter den Folgen des Klimawandels und haben kaum eine Stimme. Wenn die Behörden nun auch noch gezielt ihre Unterstützerorganisationen schließen, dann bedroht das ihr Überleben. Foto: Simon Matzinger via Flickr (CC0 1.0)

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisiert die Schließung einer russischen Menschenrechtsorganisation für indigene Völker. „Russlands indigene Völker leiden unter den Folgen des Klimawandels und haben kaum eine Stimme. Wenn die Behörden nun auch noch gezielt ihre Unterstützerorganisationen schließen, dann bedroht das ihr Überleben. Die Fürsprecher der Indigenen werden mundtot gemacht, um den Raubbau an ihren Ressourcen zu erleichtern“, erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Montag in Göttingen. Auf Anordnung eines Gerichtes war letzte Woche die Menschenrechtsorganisation „Zentrum für die Unterstützung der indigenen Völker des Nordens“ wegen vermeintlicher Verletzungen des umstrittenen Gesetzes zur Arbeit von Nichtregierungsorganisationen aufgelöst worden. Das Gericht war auf Anordnung des Justizministeriums tätig geworden. Die in Moskau ansässige Menschenrechtsorganisation hatte fast 20 Jahre lang die rund 270.000 Indigenen in Russland unterstützt und auf ihre Probleme und Anliegen hingewiesen.

Der Klimawandel hat einen Rohstoffboom vor allem in Sibirien ausgelöst, der die Lebensgrundlagen der 41 indigenen Völker in der Russischen Föderation ernsthaft gefährdet. Neue Öl- und Erdgaspipelines, Straßen, Eisenbahnverbindungen und Häfen durchschneiden den Norden Sibiriens. Traditionell wird dieses Gebiet von Rentierzüchtern, Jägern und Fischern genutzt. Sie haben es immer schwerer, ihre Lebensweise zu erhalten. „Präsident Wladimir Putin setzt auf den Kahlschlag der Ressourcen in Sibirien, um Russlands Wirtschaft und strategische Bedeutung zu stärken. Dabei ist es Teil seiner Strategie, die kritischen Stimmen indigener Völker systematisch zum Schweigen zu bringen“, sagte Delius. Immer wieder würden indigene Menschenrechtler eingeschüchtert, festgenommen oder an der Teilnahme an internationalen Konferenzen gehindert. Die ehemals renommierte indigene Menschenrechtsorganisation Raipon habe der russische Staat gezielt unterwandern lassen. Von einer kritischen Stimme sei sie nun zu einem Claqueur des Kreml geworden.

Dem nun geschlossenen Zentrum war bereits im Jahr 2015 „Spionage“ vorgeworfen worden, weil es zur Unterstützung seiner Arbeit auch finanzielle Mittel aus dem Ausland bekam. „Der Spionage-Vorwurf war haltlos. Doch es half der Organisation nichts, auf die Unterstützung aus dem Ausland zu verzichten“, so Delius. Obwohl heute keine finanziellen Mittel mehr aus dem Ausland kämen, bestünden die Behörden auf der Auflösung der Menschenrechtsorganisation. Dies sei ein Angriff auf die gesamte Zivilgesellschaft Russlands. Erst Anfang November 2019 hatte ein Moskauer Gericht die Nichtregierungsorganisation „Für Menschenrechte“ mit einer ähnlichen Begründung aufgelöst.

Headerbild: Simon Matzinger via Flickr