26.03.2024

Statement zur Situation in Israel und Palästina (26.03.2024)

Als internationale Menschenrechtsorganisation steht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) für Menschenrechte weltweit ein, kämpft gegen Genozid und Vertreibung, engagiert sich für verfolgte und bedrohte Minderheiten und indigene Gemeinschaften. Für uns gilt in aller Konsequenz die Universalität der Menschenrechte. Es gilt, das Leben eines jeden einzelnen Menschen gleich zu schützen und wertzuschätzen, immer und überall. Verbrechen müssen auf Basis der Standards, die das Völkerrecht vorgibt, geahndet werden.

In den letzten Wochen und Monaten wurden wir oft gefragt: „Was sagt ihr zu Gaza?“ Das fragten uns sowohl Partnerorganisationen aus den Gemeinschaften, mit denen wir arbeiten, als auch Institutionen aus Deutschland, ehrenamtlich Engagierte und Mitglieder der GfbV. Als Mitarbeitende der GfbV verfolgen wir die Situation im Kriegsgebiet täglich. Die entsetzlichen Verbrechen, Massaker, Vergewaltigungen und Geiselnahmen der Hamas am 7. Oktober 2023 haben wir auf das Schärfste verurteilt. Das Ziel der Hamas ist ein Ende des Staates Israel. Diese Haltung erfährt weltweit bestürzend viel Unterstützung. Wir verurteilen den Hass und den tiefen Antisemitismus der islamistischen Hamas. In unserer Menschenrechtsarbeit stellen wir uns konsequent gegen Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen. Die Hamas muss die Geiseln unversehrt und unverzüglich freilassen und die Gewalt sowie den Raketenbeschuss auf Israel sofort beenden.

Auf die Massaker der Hamas hat Israels Regierung unter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit einem unverhältnismäßig brutalen Krieg geantwortet. Dieser hat bereits unzählige Menschenleben gekostet und hat katastrophale Folgen für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen, insbesondere für Kinder, Frauen, Alte und Kranke. Vor dem Hintergrund der humanitären Katastrophe und der Angriffe auf die Zivilbevölkerung sowie die zivile Infrastruktur durch die Armee Israels hat der Internationale Gerichtshof (IGH) nach einem Antrag Südafrikas am 26. Januar angeordnet, dass Israel alles dafür tun muss, um sicherzustellen, dass es in Gaza keine Handlungen begeht, die von der Völkermordkonvention geächtet werden. Israel muss außerdem wirksame Maßnahmen ergreifen, um die Vernichtung von Beweisen im Zusammenhang mit Vorwürfen von Völkermord im Rahmen der Völkermordkonvention zu verhindern. Diese Warnungen vor einem Völkermord müssen international und besonders in Deutschland ernst genommen werden. Es muss alles dafür getan werden, dass Beweise für Menschenrechtsverletzungen gesichert werden können. Bislang ist nicht ersichtlich, dass oder wie Israel die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs umsetzt. Diese Entscheidungen müssen implementiert werden. Angesichts der entsetzlichen Lage für die Zivilbevölkerung fordern wir die Bundesregierung eindringlich auf, sich gemeinsam mit internationalen Partnerländern noch stärker für einen Waffenstillstand einzusetzen. Ohne dass die Waffen schweigen, kann die Zivilbevölkerung in Gaza nicht versorgt und eine drohende Hungersnot nicht abgewendet werden.

Der südafrikanische Antrag beim IGH ist trotz seiner zu unkritischen Haltung gegenüber der Hamas wichtig, denn das internationale Recht und seine Institutionen müssen gestärkt werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Anrufung des Internationalen Gerichtshofs durch Gambia: Gambia war im Jahr 2019 vor den IGH gezogen, um Myanmar wegen der mutmaßlichen Verletzung der Völkermordkonvention anzuklagen. In einer vorläufigen Verfügung verpflichtete der IGH Myanmar, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um Handlungen zu unterbinden, die laut der Völkermordkonvention verboten sind. Im Jahr 2022 erklärte der IGH die Klage Gambias für rechtmäßig. Deutschland und fünf weitere Staaten traten der Klage im November 2023 bei und haben damit die Wichtigkeit der Klage und ihre Wertschätzung für den IGH unterstrichen. So soll die Straflosigkeit für Völkermordverbrechen durchbrochen und Täter zur Rechenschaft gezogen werden. Im Fall von Israel/Gaza stellte sich die Bundesregierung allerdings kategorisch gegen den Antrag Südafrikas. Im Sinne der Stärkung des Völkerrechts wäre es angemessener und wichtig gewesen, dem IGH ein Urteil zuzutrauen.

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) kann im Gegensatz zum IGH, der nur über Staaten urteilen kann, einzelne Mitglieder von Regierungen, aber auch von nichtstaatlichen Gruppen wie der islamistischen Hamas, dem „Islamischen Staat“ (IS) oder den Rapid Support Forces im Sudan für ihre Verbrechen zur Rechenschaft ziehen. Auch diesen Tätern muss der Prozess gemacht werden. Das gilt ebenso für die Terroristen der Hamas, die sich am 7. Oktober entsetzlicher Verbrechen schuldig gemacht haben. Leider wirkt dieses Instrument der internationalen Strafgerichtsbarkeit noch zu selten als Abschreckung gegenüber Verbrechern. Wir rufen daher eindringlich dazu auf, dass der Internationale Strafgerichtshof politisch und finanziell stärker unterstützt wird.

Wir rufen Israel und die Hamas dazu auf, die Kampfhandlungen einzustellen und alles für den Schutz und die Versorgung der Zivilbevölkerung zu unternehmen.