23.04.2020

Strafprozesse wegen Verbrechen in Syrien

Ein bisschen Gerechtigkeit wäre ein Anfang (Pressemitteilung)

Am heutigen Donnerstag beginnt in Koblenz der erste Prozess gegen einen Folterknecht des Assad-Regimes. Ab morgen, dem 24. April, muss sich ein Mitglied des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) vor dem Oberlandesgericht Frankfurt verantworten. Während in den vergangenen Jahren häufiger Anklage gegen Menschen erhoben wurde, die für den IS rekrutiert oder Geld gesammelt haben, ist der Prozess in Koblenz der erste dieser Art gegen Mitarbeiter des Assad-Regimes.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) begrüßt juristische Schritte gegen alle, die im Krieg in Syrien und im Irak Verbrechen begangen haben: „Nur, wenn Verantwortliche auf allen Seiten des Konfliktes zur Rechenschaft gezogen werden, kann es Gerechtigkeit geben“, erklärt Dr. Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV. „Und Verbrechen wurden auf allen Seiten begangen: vom Assad-Regime und seinen Verbündeten, vom IS und auch von den islamistischen Milizen, die von der Türkei unterstützt werden.“

Assad und seine Verbündeten seien für den Tod von Hunderttausenden verantwortlich, für die Flucht und Vertreibung von Millionen von Menschen. Dass endlich einige Folterknechte Assads hinter Gittern säßen, gebe den Menschen Mut. „Für die Opfer ist es wichtig, zu wissen, dass die Täter nicht straflos davonkommen werden“, findet Sido. „Es darf keinen sicheren Hafen für Kriegsverbrecher und Völkermörder, keine Straflosigkeit geben. Denn Straflosigkeit ermutigen zu neuen Taten.“

Auch aus den Reihen der islamistischen Opposition, beispielsweise der Freien Syrischen Armee, seien immer wieder Menschen aus kurdischen, armenischen, christlichen, alevitischen und yezidischen Volksgruppen und Religionsgemeinschaften angegriffen und getötet worden. „Die meisten Gruppen der FSA propagieren zwar Demokratie für die Zeit nach Assad, haben in ihren Herrschaftsgebieten aber eine auf dem islamischen Scharia-Recht basierende Ordnung eingerichtet“, erinnert Sido.

Die GfbV hat immer wieder gefordert, dass die deutsche Bundesregierung die nordsyrische Selbstverwaltung bei der juristischen Aufarbeitung der IS-Verbrechen auch vor Ort unterstützt. Nach Informationen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte befinden sich derzeit etwa 12.000 IS-Kämpfer in kurdischer Gefangenschaft. „Bisher ignoriert die Bundesregierung alle Warnungen über die Zustände dort“, so Sido. „Unter diesen Gefangenen sollen sich bis zu 3.000 ausländische Dschihadisten aus insgesamt 54 Ländern befinden – auch aus Deutschland.“