02.08.2017

Vietnam: Entführung von Parteifunktionär in Berlin entlarvt Regime

Bundesregierung muss Menschenrechtsverletzungen in Vietnam ernster nehmen (Pressemitteilung)

Regierungskritiker und Anhänger der Demokratiebewegung werden in Vietnam fast im Wochentakt verhaftet und oft zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Foto: pixabay.com

Nach der Entführung eines ehemaligen vietnamesischen Parteifunktionärs in Berlin hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ein Umdenken in den deutsch-vietnamesischen Beziehungen gefordert. Die schwierige Lage der Menschenrechte in Vietnam muss in der Begegnung mit vietnamesischen Regierungsvertretern eine größere Rolle spielen, forderte die Menschenrechtsorganisation. „Statt die boomende Wirtschaft zu verklären und Vietnam zur aufstrebenden Demokratie und zum strategischen Partner hochzuloben, ist mehr Realismus gefragt“, kritisierte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. „Vietnams Behörden verletzen massiv und willkürlich Bürgerrechte, um die Machtstellung der Kommunistischen Partei zu wahren,  im eigenen Land wie jetzt auch offenbar hier in Deutschland.“ Medienberichten zufolge soll der Parteifunktionär, der in Deutschland Asyl beantragt hat, am 23. Juli in Berlin von Landsleuten gekidnappt worden und kurz darauf in seinem Heimatland wiederaufgetaucht sein, wo er verhaftet wurde.

Delius warf der Bundesregierung vor, Vietnam viel zu kritiklos zum strategischen Partner ernannt und dann Wirtschaftsfragen zu lange Vorrang vor elementaren Bürger- und Menschenrechten eingeräumt zu haben. „Dies rächt sich nun bitterlich: Offenbar hat sich die vietnamesische Staatssicherheit nun in Berlin aufgeführt, als sei sie zuhause. Dort spüren Oppositionelle, wie die Montagnards-Bergvölker, schon seit geraumer Zeit ihren langen Arm.“

Nachdrücklich erinnerte die GfbV daran, dass Regierungskritiker und Anhänger der Demokratiebewegung in Vietnam fast im Wochentakt verhaftet und oft zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden. „Weder für die deutsche Bundesregierung noch für die Europäische Kommission war dies bislang ein Thema“, erklärte Delius. Erst am vergangenen Wochenende sind in Vietnam vier führende Demokratie-Aktivisten festgenommen worden. Ihnen wird vorgeworfen, die Ein-Parteien-Herrschaft stürzen zu wollen. Der protestantische Pastor Nguyen Trun Ton, der Rechtsanwalt Nguyen Bac Truyen, der Journalist Truong Minh Duc  und der Ingenieur Pham Van Troi hatten sich im Internet für eine Demokratisierung des Landes engagiert.

Erst am 25. Juli war die Landrechtsaktivistin Tran Thi Nga zu neun Jahren Gefängnis mit anschließender fünfjähriger Bewährung verurteilt worden. Die Mutter von zwei Kindern, die sich vor allem für Opfer von Landraub einsetzt, wird schon seit längerem von den Behörden bedrängt. Im Mai 2014 wurde sie wegen ihres Engagements von Sicherheitsbeamten mit einer Eisenstange zusammengeschlagen und schwer verletzt.