06.09.2016

Völkermord verjährt nicht!

Warum wird der Völkermord an den Herero und Nama auch heute von deutscher Seite nicht anerkannt?

Es ist schon erstaunlich, dass ausgerechnet der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan durch seine Kritik an der Armenien-Resolution des Bundestags dafür gesorgt hat, dass der Völkermord in Namibia auch in Deutschland wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist.

Im Jahr 2004 jährte sich der Beginn der Herero- und Nama-Aufstände in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, der heutigen Republik Namibia, zum 100. Mal. Zwischen 1904 und 1908 hatten die Herero und Nama gewaltsam gegen die Willkür und Unrechtmäßigkeit der deutschen Kolonialherren aufbegehrt, nachdem diese ihnen fast alles genommen hatten: das Land, das Vieh und die eigene Identität. In Folge der Auseinandersetzungen mit der Deutschen Schutztruppe unter dem Kommando des berüchtigten Generalleutnant Lothar von Trotha sowie der anschließenden Internierung der Überlebenden in sogenannten Konzentrationslagern kam es zur beinahe vollständigen Vernichtung der beiden Völker: Etwa 80 Prozent der Herero und 50 Prozent der Nama fielen der Vernichtungswut des Schutztruppenkommandanten zum Opfer.

Es ist schon erstaunlich, dass ausgerechnet der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan durch seine Kritik an der Armenien-Resolution des Bundestags dafür gesorgt hat, dass der Völkermord in Namibia auch in Deutschland wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist. Ausgerechnet die Bundesrepublik solle sich beim Thema Genozid lieber zurückhalten, vor allem im Hinblick auf den Holocaust und die fast vollständige Vernichtung der Herero und Nama, so Erdogan. Von namibischer Seite aus wird das Streben der Bundesregierung nach einem baldigen Verhandlungsende teilweise kritisiert, man wolle die namibischen Akteure unter Druck setzen und zu schnellen Zugeständnissen bewegen, heißt es. Vor diesem Hintergrund ist fraglich, inwiefern es der Bundesregierung in ihrem Bemühen um ein schnelles Verhandlungsende wirklich um die Herero und Nama als Menschen geht, oder ob nicht vielmehr ein politischer Schachzug dahintersteckt, um weiterer Kritik von türkischer oder sonstiger Seite zu entgehen.