Pressemitteilung
20.03.2024
Appell anlässlich der möglichen EU-Beitrittsverhandlungen
Demokratisierung in Bosnien und Herzegowina muss jetzt unterstützt werden!
Im Vorfeld der Entscheidung über die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Bosnien und Herzegowina hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am heutigen Mittwoch einen Appell an die relevanten Entscheidungsträger gerichtet. Die Menschenrechtsorganisation fordert die EU und die internationale Gemeinschaft dazu auf, die Demokratisierung des Landes zu unterstützen und die Umsetzung der Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) durch notwendige Reformen zu gewährleisten.
In einer Rede im EU-Parlament erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor wenigen Tagen, Bosnien und Herzegowina habe in „etwas mehr als einem Jahr […] größere Fortschritte erzielt als zuvor in über zehn Jahren.“ „Diese Einschätzung ist ziemlich realitätsfremd. Damit unterschlägt Frau von der Leyen die Verantwortung der Ethnonationalisten für die permanente Blockade und Dysfunktion des Staates auf allen Ebenen“, sagt Jasna Causevic, GfbV-Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung. Insbesondere durch die Nachbarländer Serbien und Kroatien und den russischen Einfluss radikalisierten sich die politischen Ziele der Ethnonationalisten in Bosnien und Herzegowina. Die Sicherheitslage sei äußerst fragil. Laut einem Urteil des EGMR verstößt die Verfassung und das darin verankerte Wahlsystem gegen europäisches Recht. Eine Wahlrechtsreform ist längst überfällig, damit alle Bürger eine Stimme haben – unabhängig von ethnischer und religiöser Zugehörigkeit. Die ethnisch organisierten politischen Parteien in Bosnien und Herzegowina sowie den Nachbarländern lehnen eine demokratische Beteiligung der Bürger ab.
„Ein sofortiges Ende des destabilisierenden Einflusses der Nachbarländer Serbien und Kroatien ist das A und O einer Wende im Umgang der EU mit Bosnien und Herzegowina. Denn in einem so hochkomplexen geopolitischen Umfeld, in dem die Souveränität von Bosnien und Herzegowina in Gefahr ist, ist die EU gefragter denn je“, erklärt Causevic. „Die Europäische Union sollte eine neue Dynamik nicht nur fordern, sondern tatsächlich dafür sorgen, dass undemokratische, ethnische Ideologen nicht länger die demokratische Zukunft des gesamten Landes blockieren dürfen. Europa muss in Bosnien endlich beweisen, wie wichtig ihm die Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sind.“ Ein Hineinpumpen großer Geldsummen ins Land würde lediglich einer korrupten nationalistischen Elite zufließen. „Das wäre der Sargnagel für ein multinationales, multikulturelles und multireligiöses Bosnien und Herzegowina“, erklärt Causevic. Fast drei Jahrzehnte nach dem Krieg haben Menschen in Bosnien ein Recht auf Gerechtigkeit, institutionelle Reformen, das Recht auf Wahrheit und eine Erinnerungskultur, die der Leugnung des Völkermordes ein Ende setzt und ein „Nie wieder“ möglich macht.
Den vollständigen Appell finden Sie hier. Dieser richtet sich an das Europäische Parlament, die Europäische Kommission, den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die Mitglieder des Friedensimplementierungsrates für Bosnien und Herzegowina, den Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina in Sarajevo, die Regierungen der EU-Staaten und der Vereinten Nationen sowie alle Mitgliedsstaaten der NATO.