Pressemitteilung

16.04.2021

„Der lange Atem hat sich ausgezahlt“

Mehr Rechtssicherheit für indigene Völker - Bundestag macht Weg frei für Ratifizierung der ILO-Konvention 169 (Pressemitteilung)

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) begrüßt es außerordentlich, dass die Bundesregierung ihr Koalitionsversprechen eingelöst und die Ratifizierung der Konvention 169 der ILO ermöglicht hat. „Diese Entscheidung hat eine wichtige Signalwirkung für europäische Partnerstaaten, dieses Übereinkommen ebenfalls zu ratifizieren und den indigenen Völkern mehr Rechtssicherheit zu geben“, erklärt der GfbV-Bundesvorsitzende Jan Diedrichsen.

Yvonne Bangert, GfbV-Referentin für indigene Völker, freut sich: „Der lange Atem hat sich ausgezahlt. Gut 20 Jahre lang hat die GfbV mit Lobbygesprächen, Pressearbeit, bei Tagungen mit indigenen Gästen, in Publikationen oder auch mit Straßenaktionen um die Ratifizierung dieser Konvention durch Deutschland gerungen. Jetzt ist dies durch die Annahme der Gesetzesvorlage am Donnerstag im Bundestag nur noch einen Wimpernschlag entfernt.“ Die Ratifizierung sei jedoch nur ein erster Schritt: „Jetzt müssen wir gemeinsam mit unseren Partnern bei den Indigenen und im Koordinierungskreis ILO169 diese Entscheidung mit Leben füllen und den Geist der Konvention in der deutschen Politik verankern“, betonte die Menschenrechtlerin.

Die rund 6.000 indigenen Völker stellen mit ihren insgesamt etwa 440 Millionen Angehörigen rund fünf Prozent der Weltbevölkerung. Die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) „über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern“ ist das einzige völkerrechtlich verbindliche Dokument zum Schutz der Rechte indigener Völker. Darin wird in 44 Artikeln eine Art Grundrechtekanon festgelegt und die indigenen Völker als grundsätzlich gleichberechtigt mit den jeweiligen nationalen Gesellschaften anerkannt. Wesentliche Artikel beziehen sich auf Entwicklung und Gestaltung der Zukunft nach eigenen Prioritäten (Art. 6 und 7), unter anderem das Recht auf umfassende Beteiligung an Entscheidungen des Staates, die diese Völker direkt betreffen könnten; auf Gleichberechtigung vor Verwaltung und Justiz (Art. 8 und 9); auf Land und Ressourcen (Art. 13-19); auf Beschäftigung und kulturell angemessene Arbeitsbedingungen (Art. 20).

„In unserer globalisierten Welt werden Indigene immer wieder zu Leidtragenden von Wirtschaftsprojekten etwa im Bergbau oder Staudammbau“, sagt Bangert. „Oft können sie ihre politischen und kulturellen Rechte kaum wahrnehmen.  Gleichzeitig sind sie aber die besten Klima-und Umweltschützer. Davon profitieren wir alle. Deshalb ist die Ratifizierung ein wichtiger Schritt zur Anerkennung der Indigenen als gleichberechtigte Partner.“ Bislang haben 23 Staaten die ILO-Konvention ratifiziert, darunter in Europa Norwegen, Dänemark, Luxemburg, die Niederlande und Spanien. Nun kommt auch Deutschland hinzu.

Die Ratifizierung dieser wichtigen Menschenrechtskonvention wird in Deutschland seit gut 20 Jahren vom Koordinierungskreis ILO169, einem Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen, Netzwerken, Expertinnen und Experten eingefordert, die sich die Stärkung der Rechte indigener Völker und der Menschenrechte sowie den Schutz der Regenwälder und des Klimas zum Ziel gemacht haben. Von Anfang an hat die GfbV im Koordinierungskreis aktiv mitgewirkt.

Das Gesetz, das am Donnerstagabend (15.4.) im Bundestag zur Abstimmung kam, schafft die Grundlage dafür, dass die ILO-Konvention 169 von der Bundesrepublik ratifiziert werden kann. Die Ratifizierung selbst wird dann durch Unterschrift des Bundespräsidenten und durch Hinterlegung des Dokumentes bei der ILO in Genf vollzogen.