Foto: © Yosifu Kacaw

Liebe Leserin, lieber Leser,
 

für das Recht, frei in den Straßen zu tanzen,
für meine Schwester, deine Schwester, unsere Schwestern,
für die Erneuerung der verrosteten Köpfe,
für den Sonnenaufgang nach langen dunklen Nächten,
für Frau, Leben, Freiheit


So lauten – grob übersetzt – einige Zeilen aus dem persischsprachigen Protestsong „Baraye“ (dt. etwa: für/dafür/wegen). Der iranischen Musiker Shervin Hajipour hat es im September 2022 veröffentlicht. Den Text hatte er aus Kommentaren im Internet zusammengesetzt, in denen Leute begründeten, warum sie gegen die autoritäre Regierung auf die Straße gingen. Das Lied wurde zur inoffiziellen Hymne der Proteste in Iran.

Innerhalb weniger Minuten eine Botschaft eindrücklich vermitteln: Das ist das Erfolgsrezept von Protestsongs. Millionenfach ist „Baraye“ seit September 2022 abgespielt worden – nicht nur in Iran, sondern weltweit. Bekannte Bands wie Coldplay spielten es auf Konzerten, um damit ihre Solidaritätmit den Demonstrierenden auszudrücken. Politischer Protest, Solidaritätsbekundung, Emotionalität.
Das alles kann sich in der Kraft der Kunst vereinen – und noch viel mehr.

Kunst spricht aus, was unaussprechlich scheint. Sufis zum Beispiel geben sich durch Musik und Tanz gänzlich ihrer Spiritualität hin. Für einen yezidischen Künstler ist sein Wirken ein Heilungsprozess, um die Grauen des überlebten Genozids an seinem Volk zu verarbeiten. Uigurische Literaturschaffende retten mit Symbolen ihre Geschichte und Kultur für nachfolgende Generationen. Und für einen indigenen, politischen Gefangenen öffnet sich durch seine Gemälde ein Fenster in die Freiheit.

Der Diebstahl von Kunst trifft Menschen in ihrer Identität aus all‘ diesen Gründen, was die Kunst zu bewirken vermag, umso härter. Die Türkei beispielsweise betreibt eine Strategie, alles Kurdische im Land auszulöschen. Ein Mittel dafür ist, kurdische Lieder zu stehlen, ihnen einen neuen, türkischen Text zu geben und Kulturgut so zu überschreiben. Es kann dauern, einen solchen Plan zu durchschauen. Aber dafür singen kurdische Künstler*innen heute umso engagierte gegen den Diebstahl an. Lesen sie selbst.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre dieser kunstvollen Ausgabe!

Herzliche Grüße

Johanna Fischotter



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