Die Jurte ist das traditionelle Heim der mongolischen Nomaden. Sie haben sie perfekt an die klimatischen Verhältnisse angepasst.
Foto: Erhart Christoph/Wikipedia CC BY 4.0

 

Die Folgen des Klimawandels und des blindwütigen Rohstoffabbaus treffen die mongolischen Hirten mit aller Härte. Über Jahrhunderte hatten sie sich mit ihrer nomadischen Lebensweise an die rauen Bedingungen der Mongolei angepasst. Doch nun finden Viehherden immer öfter kein Futter mehr.
Ein gemeinschaftsbasierter Ansatz des Naturschutzes verspricht Rettung.

Von Tungaa Ulambayar

Foto: Wikipedia; gemeinfrei
Bearbeitung: studio mediamacs Bozen

Die Mongolei: bekannt für ihre Binnenlage zwischen den Großmächten China und Russland, ihre geringe Bevölkerungszahl von 3,4 Millionen Menschen auf einer Fläche von 1,5 Millionen Quadratkilometern und ihr einzigartiges historisches Erbe aus der Zeit des Dschingis Khan und der Mongolenreiche. In den frühen 1990ern verabschiedete die Mongolei eine demokratische Verfassung und stieß anschließend Reformen zur wirtschaftlichen Liberalisierung an. Seither gilt sie als Insel der Demokratie in Zentralasien. Außerdem typisch für die Mongolei: die nomadische Kultur der Viehzucht, die das Ergebnis einer jahrhundertelangen Anpassung der Mongolen an die Geografie und das Klima der mongolischen Hochebene ist.

Die Geografie der Mongolei mit Bergwäldern im Norden und Hochlandsteppen, Halbwüsten und Wüsten im Süden prägt das kontinentale Klima mit starken Temperaturschwankungen und geringen Niederschlägen. Die Höchsttemperaturen erreichen im Juli etwa 24 °C, die Tiefsttemperaturen im Januar können bis auf -28 °C sinken. Die jährliche Niederschlagsmenge übersteigt selten 400 Millimeter und ist in den zentralen Steppen- und Wüstenregionen im Süden, wie der Wüste Gobi, mit einer jährlichen Niederschlagsmenge von nur 40 Millimetern wesentlich geringer. Die Mongolei ist ein Trockengebiet, das durch Wasserknappheit und klimatische Unvorhersehbarkeit gekennzeichnet ist. Eine gut an die Ökologie des Trockengebiets angepasste Lebensstrategie ist die Weidewirtschaft mit nomadischen Bewegungen.

Die nomadische Lebensweise

Traditionell ziehen die mongolischen Hirten regelmäßig zwischen den saisonalen Lagern umher, um frische Weiden zu erreichen. Zu den gängigen Vieharten gehören Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde und Kamele, die jeweils bevorzugte Weiden mit bevorzugten Pflanzen zum Grasen haben. Anfang 2023 meldete das Nationale Amt für Statistik (NSO), dass der Viehbestand der Mongolei mehr als 71 Millionen Tiere umfasse, von denen 85 Prozent Schafe und Ziegen seien. Zu den Viehhaltern gehören nicht nur 189.000 Hirtenhaushalte, die das ganze Jahr über auf dem Land leben, sondern auch mehr als 246.000 städtische Familien.

Das NSO hebt die Hirtenhaushalte hervor, da sie nur 9 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, aber 91 Prozent des nationalen Viehbestands halten. Damit führen sie die traditionelle Lebensweise der Mongolei fort, erhalten die nomadische Kultur und tragen zur nationalen Wirtschaft bei. Ihr Lebensunterhalt hängt direkt von den Weideflächen ab, die 73 Prozent des mongolischen Territoriums ausmachen. Ihr Haupteinkommen stammt aus dem Verkauf von Fleisch, Wolle und Milchprodukten.

Mit zunehmender Verstädterung und wirtschaftlicher Expansion, einschließlich des industriellen Bergbaus, sind die Weideflächen kontinuierlich geschrumpft – in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 10 Prozent. Gleichzeitig ist der Viehbestand in den vergangenen drei Jahrzehnten um das 2,8-fache angestiegen. Das erhöht den Weidedruck und verschlechtert damit die Gesundheit der Weideflächen. Der Klimawandel mit einer Erwärmung von mehr als 2°C und einem Rückgang der Niederschläge seit 1940 sowie häufigeren und schwereren Katastrophen verschärft die Situation zusätzlich.

Der Dzud ist eine Winterkatastrophe, bei der aufgrund von tiefem Schnee und extremer Kälte Tiere kein Futter finden. Sie sterben. Hinzu kommt, dass der Dzud meist auf eine Dürre folgt. Die Hirten verlieren ihre Lebensgrundlage, was zu Armut und häufig zu einer erzwungenen Abwanderung in städtische Gebiete führt. Eine kürzlich durchgeführte Studie ergab, dass besser ausgebildete, verheiratete und jüngere Menschen wegen höherer Löhne in die Städte ziehen. Das bedeutet, dass vor allem Kinder der Hirten ihre Eltern auf dem Land zurücklassen. Weniger gebildete ältere Menschen kehren zum Hirtenberuf zurück, wenn die Umweltbedingungen günstiger werden.

Um die Probleme der Hirten zu lösen, arbeitet die Regierung mit verschiedenen internationalen Organisationen zusammen, um die Hirten bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen und ihre Anfälligkeit für die Folgen des Klimawandels zu verringern. Eine dieser Organisationen ist die Zoological Society of London (ZSL, dt.: Zoologische Gesellschaft von London), eine internationale Naturschutzorganisation.

Gemeinsam Lösungen finden

Die ZSL Mongolei hat eine starke Partnerschaft mit den Hirten aufgebaut. Sie inspiriert sie zum Schutz der biologischen Vielfalt, unterstützt die nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen und hilft ihnen dabei, Besitzrechte zu sichern. Zum Beispiel verwalten die von ZSL unterstützten Hirten das lokale Schutzgebiet Khoid Mogoin gol-Teel (KMGT) in Arkhangai. Das Schutzgebiet umfasst eine mehr als 240.000 Hektar große Bergwaldsteppe, die Moschustiere, Steppenadler, Schneeleoparden, Sakerfalken und Sibirische Murmeltiere beherbergt – gefährdete Arten, die vom illegalen Wildtierhandel bedroht sind.

Aufgrund der Nähe zum Provinzzentrum und des großen Verkehrsaufkommens in die westliche Region wurde das KMGT übermäßig ausgebeutet. Illegale Wilderei und die illegale Abholzung der Wälder führte zu einer Verschlechterung der Weideflächen. Die lokalen Hirten hatten keinen Zugang zu Bildung und Ausbildung, was ihre Möglichkeiten einschränkte, mit der Verschlechterung der natürlichen Ressourcen umzugehen. Seit 2018 fördert ZSL in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren den gemeinschaftsbasierten Naturschutz im KMGT, der nun ein Managementmodell für lokale Schutzgebiete in der gesamten Mongolei darstellt.

Nach Angaben des Unabhängigen Forschungsinstituts der Mongolei (IRIM) haben sich die sozialen und ökologischen Auswirkungen des KMGT-Managements durch positive Veränderungen in der Einstellung der Hirten zum Schutz des Ökosystems, durch eine Zunahme der Wildtierpopulationen und durch eine verbesserte Umwelterziehung bemerkbar gemacht. Die Wilderei und der illegale Holzeinschlag sind zurückgegangen. Außerdem ist der Armutsindex gesunken, da die Hirten des KMGT besseren Zugang zu Krediten und Ersparnissen haben sowie Unterstützung für kleine Unternehmen erhielten.

Für das Erreichen dieser Ergebnisse entscheidend war ein partizipatorischer Steuerungsprozess innerhalb der Hirten-Institutionen. Er gewährleistete eine gleichberechtigte Mitsprache, eine aktive Beteiligung der Hirten an den Aktivitäten zum Schutz und zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie einen gerechten Vorteilsausgleich. Wichtig ist, dass solche demokratischen Prozesse in den Regeln der Hirten-Institutionen oder gemeinschaftsbasierten Organisationen (CBO) verankert sind. Sie können nur funktionieren, wenn sie durch selbst gewählte Strukturen wie den CBO-Vorstand, die Ranger der Gemeinschaft und alle Mitgliederforen durchgesetzt werden. Dadurch sind proaktive Beiträge aller Mitglieder möglich. Ein weiterer Faktor für ein effektives lokales-Schutzgebiet-Management war die enge Zusammenarbeit mit lokalen Regierungsorganisationen, einschließlich der Umweltabteilung der Provinz, der Forstabteilung, der Umweltpolizei und der Bezirksregierung.

Die Arbeit der ZSL mit den Hirtengemeinschaften des KMGT ist ein wichtiges Beispiel für die Unterstützung der mongolischen Hirten bei der Bewältigung der Ressourcen-Degradation [negative Veränderung durch veränderte Bedingungen; Anm. d. Red.] und der Aufrechterhaltung von Ökosystemleistungen. Diese sind für ihren Lebensunterhalt entscheidend. Beides erhöht ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel. Der Fall zeigt, wie nomadische Hirten durch die Stärkung von Hirten-Institutionen und die Einführung von Good-Governance-Processes (dt. etwa: gute Regierungsführungsprozesse) für die gemeinsame Bewirtschaftung gemeinsamer Ressourcen selbstermächtigt werden können.

[Die Autorin]
Dr. Tungaa Ulambayar ist Direktorin der Landesvertretung der Mongolei bei der Zoologischen Gesellschaft von London. Bei den Vereinten Nationen ist sie Mitglied der „Schnittstelle Wissenschaft und Politik“ der „Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung“. Promoviert hat sie an der Colorado State University, USA, zu der Effektivität des gemeinschaftsbasierten Schutzes von Weideland in der Mongolei.

[Info]
Aus dem Englischen übersetzt von Johanna Fischotter.



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