Vergewaltigung als Kriegswaffe: Sexuelle Gewalt an Yezidinnen
Die Vergewaltigung ist eine Form der Gewalt, die die betroffene Gesellschaft als Ganzes in Atem hält. Sie ist die wohl grausamste Kriegswaffe, die die Menschheit kennt. Die verheerenden Auswirkungen der Gewalt an der Frau sind jedem Widersacher wohl bekannt, weshalb ein skrupelloser Gegner diese systematisch zum Einsatz bringt. So haben in den 1990er Jahren serbische Täter bis zu 30.000 muslimische Mädchen und Frauen während des Bosnienkrieges vergewaltigt. Diese Bilder und Geschichten haben sich in unsere Köpfe eingebrannt. Ähnliches spielt sich nun im Nahen Osten ab, wo Yezidinnen von den Barbaren des selbsternannten „Islamischen Staates“ (IS) seit August 2014 gefangen gehalten, gedemütigt, gefoltert, versklavt und vergewaltigt werden.
von Melav Bari
Ein Krieg ist zumeist ein Kampf „Mann gegen Mann“. Frauen sind meist nicht Teil einer bewaffneten Auseinandersetzung, bei der es um Macht und Landgewinn geht. Dass Frauen jedoch einbezogen werden in die „Männersache“, ist eine Provokation der gegnerischen Seite, gleichzusetzen mit dem roten Tuch im Stierkampf. Die Anwendung dieser Gewalt ist ein Überschreiten jeglicher Grenzen und jeglicher Fairness, falls man überhaupt noch von fair und unfair reden kann.
Besonders brutal wird es dann, wenn der Mann sich nicht dem Mann stellt. So sucht er nämlich bewusst andere Ziele: Frauen, Kinder, Alte und Schwache. Der „klassische“ Krieg, etwa ein Belagerungskrieg, ein Krieg zwischen zwei oder mehreren regionalen Mächten hat meist klar definierte Ziele: das Eliminieren des Feindes. So endete beispielsweise der Zweite Weltkrieg mit dem Niederschlagen der Nazi-Herrschaft und ihrer Kapitulation. Was ist aber, wenn es kein Krieg zwischen Ethnien ist, sondern ein Krieg der Religionen? Oder vielmehr: ein Krieg der Kriegswilligen und der Kriegsunfähigen. Endet ein solcher Krieg mit der Kapitulation, oder ist die Vernichtung einer religiösen Gemeinschaft das Ziel?
Dieser Krieg im Irak trifft besonders die Töchter, Ehefrauen und Mütter der Yeziden. Die Yeziden – eine religiöse Minderheit, die ethnisch zu den Kurden gezählt wird – zählen knapp eine Million Angehörige weltweit. Neben ihrer weltweiten Verteilung in der Diaspora, lebte etwa die Hälfte aller Yeziden in der NineveEbene im Nordirak am Sinjar-Gebirge. In der Nacht zum 3. August 2014, als der Islamische Staat die Yeziden in ihren Dörfern im Nordirak auf abscheuliche Art überraschte, entführte er Frauen und Kinder, während er ihre Ehemänner, Väter und Brüder vor ihren Augen hinrichtete. Die Vereinten Nationen veröffentlichten zum Massaker an den Yeziden, den sie einem Völkermord gleichsetzen, vorläufige Zahlen: mindestens 5.000 Yeziden wurden getötet, bis zu 7.000 entführt und etwa 430.000 Menschen aus dem Sinjar sind auf der Flucht.
Die Dorfbewohnerinnen wurden nach ihrer Entführung in drei Gruppen unterteilt: Frauen, die Kinder haben, verheiratete Frauen und Jungfrauen. Diese Gruppen wurden auf unterschiedliche Orte verteilt. Nahezu jede Familie hat weibliche Mitglieder in den Händen des IS zu beklagen – nicht einmal der Ort ihrer Gefangenschaft ist den Familien bekannt. Tag für Tag, Nacht für Nacht werden die Yezidinnen von den Mördern ihrer Familien vergewaltigt. Blutig geschlagen vom Feind, geschwängert von Vernichtern ihrer Identität. Als Sklavinnen – um rein sexuell oder auf andere Art zu dienen – werden sie immer noch an Reiche und Händler, etwa nach Saudi-Arabien und Syrien, verkauft. Der Wert der Frauen richtet sich nach ihrem Aussehen, ihrem Alter und anderen Faktoren, die einem Käufer von Bedeutung sein könnten. Einige von ihnen stehen nicht zum Verkauf – diese behalten die terroristischen Truppen für sich selbst. Die IS-Rebellen tauschen die Yezidinnen untereinander aus – als „Geschenk“ für ihren erbrachten Dienst für den Islamischen Staat.