Foto: © Tyler Nix/Unsplash

Liebe Leserin, lieber Leser,

als ich Ihnen diese Zeilen schreibe, steht Weihnachten kurz bevor. Es ist, zumindest für mich, eines der schönsten Feste der Familie. Im vergangenen Jahr konnten wir es corona-bedingt nicht so zusammen feiern, wie wir es gerne gewollt hätten. Dieses Jahr habe ich zumindest noch die Hoffnung, dass wir wieder alle zusammenkommen können. Denn meine Familie gibt mir Kraft. Treffen der ganzen Familie sind seltener geworden, seit wir Kinder bei unseren Eltern aus- und in neue Städte gezogen sind. Deswegen empfinde ich Feste wie Weihnachten als umso wichtiger. Es fühlt sich komisch an, wenn jemand an Weihnachten fehlt – falsch.

Dass Familienmitglieder voneinander getrennt sind, müssen Angehörige von Minderheiten erschreckend oft erleben. Im großen Gegensatz zu mir wissen sie oft nicht einmal, was mit ihren Angehörigen passiert ist, wo sie stecken. Eine Yezidin etwa konnte 2015 vor dem sogenannten Islamischen Staat aus dem Nordirak nach Deutschland fliehen. Sie dachte, dass außer ihr und ihrer Schwester alle Familienangehörigen den Verbrechen zum Opfer gefallen wären – tot. Doch durch einen Zufall findet sie in Deutschland ihren Cousin wieder.

Dieses Glück, Familienangehörige durch einen Zufall in einem anderen Land anzutreffen, wird eine uigurische Familie nicht haben. Denn die Eltern wissen, dass ihre Kinder in chinesischer Gefangenschaft sind. Verzweifelt kämpfen sie darum, ihre Kinder bald wieder in die Arme nehmen zu können. So wie ihnen geht es vielen Uigur*innen. In China verschwinden ihre Angehörigen oft spurlos.

Eltern und ihre Kinder zu trennen kann eine Strategie zum Völkermord sein. Und die Praxis ist nicht neu. Auch unter der Diktatur in Chile wurden vor Jahren Kleinkinder von indigenen Mapuche-Müttern geraubt und ungefragt zur Adoption freigegeben. Die Kinder kamen nach Schweden, Deutschland, Frankreich… in die ganze Welt. Sie glaubten viele Jahre die Lüge der chilenischen Regierung, dachten, ihre Eltern hätten sie freiwillig zur Adoption freigegeben. Erst heutzutage kommen viele dahinter, was damals wirklich geschehen ist. Jetzt machen sie sich auf die Suche nach ihren Wurzeln.

Unsere Familie suchen wir uns nicht aus. Doch sie gibt vielen Menschen Kraft und Rückhalt, hält zusammen, auch wenn sie Kilometer entfernt zu sein scheint.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre dieser Ausgabe!

Herzliche Grüße

Johanna Fischotter



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