05.08.2005

37. Jahreshauptversammlung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)

Deutschland soll sich stärker in Krisenregionen engagieren

Göttingen
200 Menschenrechtler aus Europa und Übersee haben am Sonntag auf der 37. Jahreshauptversammlung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die deutsche Bundesregierung aufgefordert, sich stärker für die Menschen in Krisenregionen zu engagieren. Die Bundesregierung solle sich für die Entsendung einer Friedenstruppe mit robustem Mandat nach Darfur im Westsudan einsetzen, wo bereits 400 000 Menschen Opfer von Völkermord und Vertreibung geworden seien. Bei Gesprächen mit der russischen Regierung müsse der Völkermord in Tschetschenien konsequent und öffentlich kritisiert und darauf hingewirkt werden, dass Mord, Vergewaltigung, Folter und Verschleppung sofort gestoppt und die Täter verurteilt werden.

Einer der schärfsten Kritiker des russischen Präsidenten, Wladimir Putin, der 75 Jahre alte Menschenrechtler Sergej Kowaljow sagte, das heutige Russland falle in die alte Ideologie zurück und sei "eine Bedrohung für die ganze Welt. Nicht durch Panzer oder Atomwaffen, sondern weil Lüge und Niedertracht durch dieses Land verbreitet wird." Kowaljow war auf der Veranstaltung mit dem krimtatarischen Menschenrechtler Mustafa Dschemilew mit dem Victor-Gollancz-Preis der GfbV ausgezeichnet worden.

Der deutsche Europaabgeordnete Milan Horacek (Grüne) nannte Kowaljow in seiner Laudatio "einen der bedeutendsten Menschenrechtler unserer Zeit". Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU), bezeichnete den zweiten Preisträger als unerschrockenen Mann, der sich unter Einsatz seines Lebens trotz 15 Jahren in sowjetischen Gefängnissen für die Rückkehr der von Stalin deportierten Krimtataren eingesetzt habe.

Bundesumweltminister Jürgen Trittin wies auf der Tagung auf den Zusammenhang von Klimawandel und Fluchtbewegungen hin. In den kommenden 20 Jahren werde sich die Zahl der Umweltflüchtlinge auf 100 Millionen Menschen vervierfachen. Er forderte ein Gesetz zum Schutz der Urwälder und der Zertifizierung von Holz. Allein in Indonesien würde 73 Prozent des Tropenholzes illegal geschlagen. Opfer seien - wie in vielen anderen Ländern auch - die Ureinwohner.

Der Repräsentant des irakischen Bundesstaates Kurdistan, Dilshad Barzani, dankte der GfbV für 30 Jahre "unbeirrten Einsatz" für die Kurden. "Neben der Hilfe für die Giftgasflüchtlinge aus dem irakischen Kurdistan in türkischen Lagern war es wohl die größte und nachhaltigste Leistung der GfbV, das bis dahin größte und wirksamste Hilfsprogramm für die verwaisten Familien des Barzan-Gebietes durchgesetzt zu haben: Hier ist es gelungen, mehr als 2000 Familien, deren Männer zwischen 12 und 90 Jahren von Saddam ermordet worden waren, wieder in 30 wieder aufgebaute Dörfer und so in eine menschenwürdige Umgebung aus den Lagern zurückzusiedeln." Barzani forderte auf der Jahreshauptversammlung einen engagierten Beistand der Menschenrechtler bei der Bildung einer demokratischen, fairen und gerechten Zivilgesellschaft in seinem Land.

Der Generalsekretär der GfbV, Tilman Zülch, bestärkte die Teilnehmer darin, das Vermächtnis der Opfer von Völkermordverbrechen als Leitlinie zu nutzen und immer und überall an Leib und Leben bedrohten Menschen zur Hilfe zu kommen. Die GfbV habe sich seit ihrer Gründung bemüht, auf keinem Auge blind zu sein, alle Verbrechen an ethnischen und religiösen Gemeinschaften, an Minderheiten und indigenen Völkern zu verurteilen und nach Möglichkeit auch zu bekämpfen.

Kontakt zur GfbV erhalten Sie heute über Tel. 0174 621 50 55 oder 0174 60 39 641.