20.02.2013

Balutschen in Pakistan

Written Statement (deutsche Fassung)

Entführungen von Balutschen in Pakistan

Zurzeit ist Entführung von Personen das häufigste Verbrechen, dem Balutschen im Osten Pakistans ausgesetzt sind und es stell eine konstante Gefahr für ihr Leben dar. Die Gesellschaft für bedrohte Völker ist in höchstem Maße besorgt über die alamierende Anzahl von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Entführungen, die einen wesentlicher Bestandteil im Konflikts zwischen Rebellengruppen und Regierungstruppen darstellen. Entführungen finden vor allem dort statt, wo sich militante Gruppen und Sicherheitskräfte der Regierung im bewaffneten Konflikt gegenüberstehen.

Der Aufstand der Balutschen und Spannungen zwischen balutischer Opposition und Regierung gehen bis ins Jahr der pakistanischen Unabhängigkeit, 1947, zurück. Seit dem Beginn von Militäroperationen durch den sogenannten „Frontier Corps“ und die pakistanische Armee im Jahr 2005 hat sich der Konflikt stetig intensiviert. Die Ausweitung der Gewalt und die stetige Vergrößerung des Schlachtfelds haben zu schwerwiegenden humanitären Krisen geführt. Tausende balutische Aktivisten, Journalisten, und Akademiker wurden vertrieben, inhaftiert, brutal gefoltert und ermordet. Diese Entwicklung wird von Beweisen untermauert, die einen dramatischen Anstieg an Entführungen in den letzten Jahren aufzeigen. Internationale Menschenrechtsorganisationen haben im Jahr 2012 5000 Entführungsfälle dokumentiert. Während balutische Menschenrechtsorganisationen von 14.000 verschwundenen Männern und Frauen sowie 500 zuvor gefolterten Toten ausgehen, bestätigte das pakistanische Innenministerium im Januar 2013 lediglich 2.186 Opfer von Gewalt.

Von der Organisation „Human Rights Watch“ (HRW) dokumentierte Fälle zeigen, dass pakistanische Sicherheitskräfte und insbesondere die Geheimdienste des Landes, wie die „Military Intelligence“ (MI), die „Inter-Services Intelligence“ (ISI), das „Intelligence Bureau“ (IB) und das paramilitärische „Frontier Corps“ gezielt Balutschen ins Visier nehmen, die der Mitarbeit in der balutischen Unabhängigkeitsbewegung verdächtigt werden. Dazu gehört auch die Mitgliedschaft in der balutischen republikanischen Partei, der balutischen Nationalfront, der balutischen Nationalbewegung oder der balutischen Studentenvereinigung. Hauptsächliche Opfer sind Männer zwischen 25 und 45, die brutal gefoltert und danach ermordet werden. Anschließend werden ihre leblosen Körper in entlegenden Gebieten verscharrt. Entführungen werden häufig am helllichten Tag von bewaffneten Männern an belebten Orten und im Beisein der Polizei durchgeführt.

Am 22. Januar 2013 wurde der verstümmelte Leichnahm eines entführten balutischen Aktivisten aus Mand Balochistan in der Malir Region in Karachi gefunden. Presseberichten aus Balochistan zufolge wurde Hajii Akram Baloch von pakistanischen Sicherheitskräften aus der Kehnek Region am 30. Juni 2012 entführt. Menschenrechtsorganisationen prangern schon lange die Tatsache an, dass pakistanische Sicherheitskräfte Greueltaten ungehindert und ohne Angst for Strafe begehen können.

Dieser Fall zeigt, dass Entführungen durch Sicherheitskräfte in Pakistan mittlerweile erschreckend normal sind. Behörden inhaftieren Beschuldigte oder Verdächtige und leugnen anschließend jegliche Verantwortung für ihre Taten. Ermittlungen enden meist schon bei der Registrierung von Fällen, Informationen bezüglich des Schicksals von Opfern sind rar gesäht, ebenso wie polizeiliche Ermittlungen.

Die als Teil eines systematischen Angriffs auf die Balutschen bestehenden Entführungen stellen eine direkte Verletzung internationaler Menschenrechtsabkommen sowie des pakistanischen Rechts dar. Durch den Vorenthalt von Informationen über das Schicksal entführter Balutschen begeht der pakistanische Staat andauernd und wiederholt schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen. Obwohl das pakistanische Recht die spontane Internierung verdächtiger nicht explizit verbietet, kriminalisiert es doch Entführung, Kidnapping und Freiheitsberaubung. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit Verdächtiger wird kontinuierlich durch die Tatsache verletzt, dass Gerichte nicht willens oder in der Lage sind, es wirksam zu verteidigen. Gesetzeslücken im Zusammenhang mit dem pakistanischen Anti-Terror Gesetz aus dem Jahr 1997, das langfristige Inhaftierung ohne Prozess ermöglicht, unterminieren weiterhin den durch die pakistanische Verfassung garantierten Schutz vor unrechtmäßiger Inhaftierung.

Seit 2008, hat die Regierung Schritte unternommen, um den andauernden Menschenrechtsverletzungen in Balochistan zu begegnen. Zwei Untersuchungskommissionen zu Fällen verschwundener Personen wurden im März 2011 durch das Verfassungsgericht und das pakistanische Innenministerium gegründet. Im Rahmen einer Entschuldigung von Präsident Asif Ali Zardari, gerichtet an die balutische Bevölkerung, begann die pakistanische Regierung 2009 eine Initiative mit dem Namen “Beginning of Rights in Balochistan”, bei der politische Gefangene, die nicht des Terrorismus angeklagt waren, freigelassen wurden. Zusätzlich wurde die rasche Rückführung vermisster Personen zu ihren Familien und ein Baustopp für neue Siedlungen in Balochistan beschlossen.

Bis heute hat die pakistanische Regierung ihr Versprechen, Entführungen in der balutischen Provinz zu stoppen, nicht eingelöst. Ein Großteil der Täter, die von „Human Rights Watch“ identifiziert wurden, wurden bis heute nicht zur Verantwortung gezogen und es besteht weiterhin ein stabiles Netzwerk aus Sicherheitskräften, Polizei, Gerichten und hochrangigen Regierungsbeamten, das weitgehend Handlungsfreiheit genießt. Dieses System ist auf allen Ebenen der pakistanischen Gesellschaft vertreten. Die Einsetzung eines Gouverneurs als zentrale Herrschaftsinstanz in Balochistan im Januar 2013 ist ein klares Zeichen dafür, dass die Unterdrückung der balutischen Minderheit ungehindert fortgeführt wird und symbolisiert den Widerwillen der Regierung, Macht an die Provinz abzugeben.

Durch die Arbeit von respektablen Menschenrechtsorganisationen wie der “Human Rights Commission of Pakistan,” (HRCP), “Amnesty International” und “Human Rights Watch” wird deutlich, dass Pakistans Regierung die Kontrolle über sein Militär verloren hat, dass schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in Balochistan begeht.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker fordert daher den UN-Menschenrechtsrat auf, die pakistanische Regierung zu folgenden Maßnahmen zu bewegen:

- Die Unternehmung aller notwendigen Anstrengungen, um Entführungen, Hinrichtungen und die willkürliche Inhaftierung von Aktivisten, Journalisten, Akademikern zu unterbinden und die gerechte Anklage aller, die Menschenrechtsverletzungen anordnen oder ausführen, unabhängig von ihrer Position oder ihrem Status.

- Direkte Kommunikation mit für Menschenrechtsverletzungen zuständigen Behörden, einschließlich der Armee, der ISI, IB, FC, der Polizei und anderer Strafverfolgungsbehörden, um Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und ihre strafrechtliche Verfolgung zu erleichtern.

- Die sofortige Aussetzung aller Militäroperationen, die derzeit in Balochistan durchgeführt werden und einen Baustopp für neue militärische Lager und Außenposten unter unabhängiger Aufsicht von UN-Beobachtern.

- Die Freilassung aller politischen Gefangenen sowie die Bereitstellung von Informationen über den Verbleib aller bisher durch Sicherheitskräfte entführten Personen.

- Die Schaffung einer Situation, die balutischen Parteien Sicherheit garantiert und ihnen erlaubt, ihre Arbeit ohne Beeinträchtigung durch Geheimdienste wieder aufzunehmen.