28.05.2021

Ein Jahr nach dem Nornickel-Unfall (29.5.)

Indigene Gemeinschaften Sibiriens gespalten (Pressemitteilung)

Der Klimawandel führt bereits zu Umweltkatastrophen – besonders, wenn mit Umwelt- und Sicherheitsstandards lax umgegangen wird. Vor einem Jahr, am 29. Mai 2020, war ein Dieseltank des Rohstoffunternehmens Norilsk Nickel (Nornickel) auf der Taimyr-Halbinsel geborsten, nachdem der darunterliegende Permafrostboden getaut und Stützpfeiler abgesackt waren. „Der austretende Treibstoff hat nicht nur weiträumig Gewässer verseucht, von denen die ansässigen Fischer der indigenen Nenzen und Dolganen abhängig sind“, erinnert Yvonne Bangert, Referentin für indigene Völker bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). „Die mangelhafte Aufarbeitung der Katastrophe führt nun auch zu sozialen Verwerfungen innerhalb der indigenen Gemeinden.“ 

Für die Entschädigungszahlungen habe Nornickel einen Deal mit der staatsnahen Indigenen-Organisation Raipon ausgehandelt. Nur wer von dieser Organisation vertreten wird, erhält Gelder. „Kritische Indigene vor Ort wurden nicht angehört. Sie sagen, mit den vorgesehenen Entschädigungszahlungen sei das Schweigen betroffener Gemeinschaften erkauft worden“, berichtet Bangert. Die ehemals unabhängige Organisation Raipon war 2012 wegen angeblicher Satzungsverstöße vom russischen Justizministerium mit einem Arbeitsverbot belegt und nach der Wiedereröffnung unter staatskonforme Führung gesetzt worden. Oppositionelle indigene Gruppen organisieren sich inzwischen beim Aborigen Forum oder der Batani Foundation. Beide können in Russland nicht frei arbeiten. Pavel Sulyandziga, Präsident der Batani Foundation, wurde 2016 zum ausländischen Agenten erklärt. Er und mehrere Mitstreiter befinden sich im Exil, denn in Sibirien sind sie nicht mehr sicher. Die Organisation selbst wurde in Russland verboten.

Erst kürzlich wurde bekannt, dass am 17. Mai dieses Jahres erneut Kraftstoff aus einem ähnlichen Tank ausgelaufen ist. Die genaue Menge ist noch unklar. „Das unterstreicht, dass die Ausbeutung der Rohstoffe in diesem fragilen Ökosystem immer mit massiven Risiken belastet ist“, bekräftigt Bangert. „Diese Risiken treffen vor allem die Indigenen, deren Lebensweise seit Jahrtausenden auf dieses Ökosystem ausgerichtet und ebenso fragil ist.“ 

Es sei ein positives Signal gewesen, dass die Deutsche Bank 2020 erklärte, künftig keine Öl- und Gasförderprojekte in der Arktis mehr zu finanzieren. Die deutsche Commerzbank finanziert Nornickel hingegen weiter. Auf eine Anfrage zu ihrer Kooperation mit dem russischen Großkonzern verweigerte sie der GfbV leider erst vor kurzem jede Auskunft.