06.09.2012

Kaschubisch - Renaissance mit Wermutstropfen

Polen

© Witold Bobrowski

Aus bedrohte völker_pogrom 271, 3/2012

Lange Zeit galt sie als stark bedroht, einige Wissenschaftler sahen die kaschubische Sprache bereits als ausgestorben an. Doch dann kam 1989 die politische Wende. Bereits zwei Jahre später wurde Kaschubisch an den ersten Schulen als Unterrichtsfach eingeführt,seit 2005 ist die Sprache im Norden Polens rechtlich anerkannt – dennoch gibt es viele strukturelle Probleme.

Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts stritten Wissenschaftler über den Status der kaschubischen Sprache. Nicht selten war die Diskussion höchst politisch gefärbt:

Deutsche Wissenschaftler unterstrichen den eigenständigen Charakter des Kaschubischen und behaupteten gar, die Kaschuben seien eigentlich ein slawisierter germanischer Stamm. Polnische Gelehrte betonten hingegen die starke Nähe zum Polnischen. Beide Seiten wollten so ihre Ansprüche auf das von den Kaschuben bewohnte Westpreußen bekräftigen, das für Deutschland die Brücke nach Ostpreußen war und für Polen der Zugang zur Ostsee.

Das Schicksal der Kaschuben hing so nicht immer von ihnen selbst ab. Einem Assimilierungsversuch durch Nazi-Deutschland entkommen, das Westpreußen im Zweiten Weltkrieg „germanisieren“ wollte, galten die Kaschuben im kommunistischen Polen als Separatisten, ihre Sprache als polnischer Dialekt. 2005 trat jedoch das polnische Minderheiten- und Regionalsprachenschutzgesetz in Kraft. Erstmals in der Geschichte der Kaschuben wird ihre Sprache rechtlich anerkannt.

Dieser Schritt zur Anerkennung zeichnete sich schon früher ab. Denn bereits 1991 wurde Kaschubisch in den ersten Schulen in der Region Kaschubien eingeführt – mit Duldung durch das polnische Bildungsministerium.

Das Angebot an Kaschubischunterricht stieg seitdem rasant: Im Schuljahr 2010/11 boten bereits 260 Schulen mit rund 10.500 Schülern Kaschubisch als Unterrichtsfach an. Auch im Bereich Medien hat sich viel getan: 2004 ging „Radio Kaszëbë“auf Sendung, das eigenen Angaben zufolge von etwa 80.000 Menschen täglich gehört wird. Das Kaschubische wird in einigen Kirchen als Liturgiesprache genutzt, es entstehen immer mehr zweisprachige Ortsschilder und auch die Werbung hat das Kaschubische vereinzelt für sich entdeckt.

Insgesamt hat sich die Situation der Kaschuben, dessen bekanntester Vertreter wohl der amtierende polnische Ministerpräsident Donald Tusk ist, in den vergangenen 20 Jahren verbessert. Doch einige Wermutstropfen bleiben.So umfasst das stark zunehmende Angebot an Kaschubischunterricht nur wenige Stunden in der Woche. Die entscheidende Frage ist zudem, ob es tatsächlich eine steigende Nachfrage nach Kaschubischunterricht gibt. Denn es ist kein Geheimnis, dass zahlreiche Schulen diesen Unterricht nicht selten auch deshalb einführen, weil er staatlich honoriert wird und zu ihrer ökonomischen Sicherung beiträgt.

Derzeit ist auch nur die kaschubische Sprache rechtlich anerkannt, nicht aber die Kaschuben als Minderheit. Und die polnische Polonistik sieht in der kaschubischen Sprache meist immer noch einen polnischen Dialekt. Ein weiteres Problem: Heute wird kaum mehr ein Kind sprachlich auf Kaschubisch sozialisiert, die Erziehung findet in den meisten Fällen auf Polnisch oder in einer gemischt polnisch-kaschubisch sprachigen Umgebung statt, was zumindest langfristig nicht ganz unproblematisch sein dürfte.

Nichtsdestotrotz ist in den vergangenen Jahren eine beachtliche Renaissance der Sprache gelungen, die auch Auswirkungen auf die kaschubische Gesellschaft hat. Bei der Volkszählung 2011 bezeichneten sich bereits 17.000 Personen als „kaschubisch“. Neun Jahre zuvor waren es lediglich 5.200. Die Kaschuben beschäftigen sich offensichtlich vermehrt mit ihrer Identität. 211.000 Menschen sehen sich derzeit als kaschubische Polen oder polnische Kaschuben.Wie sich das Kaschubische und die Kaschuben zukünftig weiterentwickeln werden, lässt sich heute nicht genau sagen. Aber zum ersten Mal in der Geschichte hängt das Schicksal der Kaschuben jetzt einzig und allein von ihnen selbst ab.

[Zum Autor]

Marcin Bobrowski ist selbst Kaschube und arbeitet als freier Journalist in Bremen.


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