30.04.2005

Minderheitensprachen in Europa

59. Sitzung der UN Menschenrechtskommission 2003 - Genf 17.03.03-25.04.03

Schriftliche Stellungnahme der Gesellschaft für bedrohte Völker

Item 10

 

In der Europäischen Union gehören 40 Millionen Menschen Sprachminderheiten an. 2001 war das Europäische Jahr der Sprachen. Der Europarat hat dies zum Anlass genommen, die Minderheitensprachen durch zielorientierte Projekte zu unterstützen.

Das Europäische Parlament hat die Europäische Kommission ersucht, eine umfassende Auswertung des Europäischen Sprachenjahres unter besonderer Berücksichtigung von Minderheitensprachen durchzuführen. Bis Ende 2003 soll die Kommission ein über mehrere Jahre laufendes Programm für Sprachen entwickeln, das auch einen Budget für "regionale und weniger gebräuchliche Sprachen" einschließt.

Derartige Maßnahmen sind selbstverständlich willkommen, reichen aber nicht aus, um Minderheitensprachen vor dem Aussterben zu bewahren. Eine Unterstützung für Minderheitensprachen wird aber nur dann abgesichert sein, wenn die Minderheiten und ihre Sprachen in der Verfassung der Europäischen Union anerkannt werden.

"Sprachkenntnisse sind wichtig für das gegenseitige Verständnis und die Stabilität der Demokratie", heißt es im Zusammenhang mit dem Sprachenjahr in einer Deklaration des Europarates und der Europäischen Union. Der Europarat erweist der Vielsprachigkeit Europas in seiner Rahmenkonvention zum Schutz von Minderheiten und der Charta der regionalen und Minderheitensprachen zwar seinen Respekt, bis heute hat aber die Europäische Union nichts nennenswertes unternommen, um dieses Prinzip in den eigenen Verträgen und Konventionen zu berücksichtigen. Der Unionsvertrag und die Grundrechtecharta nehmen Bezug auf die Sprachenvielfalt. Dies hat den Minderheiten jedoch nicht geholfen, irgendwelche Rechtsansprüche abzusichern, wie etwa dasjenige, die eigene Sprache als Amtssprache zu nutzen.

In Missachtung des Europäischen Sprachenjahres hat Griechenland die Gründung eines Komitees des "Europäischen Büros für weniger gebräuchliche Sprachen", die von der Europäischen Union unterstützt wurde, verhindert. Die griechischen Behörden bringen Minderheitenangehörige vor Gericht, wenn sie Informationsmaterial des "Europäischen Büros für weniger gebräuchliche Sprachen" verteilen. Angehörige von Sprachminderheiten empfinden sich oft als Bürger zweiter Klasse und befürchten, dass ihre die letzte Generation sein wird, die ihre Sprache noch am Leben erhält. Eine Untersuchung unter Angehörigen von Sprachminderheiten hat erwiesen, dass viele von ihnen ihre Identität verbergen, wenn sie sich für eine Stelle bewerben, da sie glauben, dass ihr Minderheitenstatus ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigt. Minderheitensprachen sind in den Medien unterrepräsentiert. Deshalb nutzen etwa die Angehörigen der makedonischsprachigen Minderheit die von Makedonien ausgestrahlten Programme.

In Frankreich haben die Verfassungsgerichte die Ratifizierung der Charta der Regional- und Minderheitensprachen und damit auch die Anerkennung der Vielsprachigkeit des Landes abgelehnt. Eine Umfrage unter 380.000 französischen Staatsbürgern ergab, dass statistisch betrachtet 26 Prozent oder 11,5 Millionen Staatsbürger Frankreichs eine andere Sprache als dien französische sprechen. Etwa zur Hälfte ist dies eine Minderheitensprache und zur Hälfte die eines anderen Landes. Im Dezember 2002 hat der Staatsrat entscheiden, dass Französisch die einzige Unterrichtssprache ist. Diese Entscheidung hat Viele enttäuscht, insbesondere in der Bretagne, wo zahlreiche Modellschulen zweisprachig in bretonisch und französisch unterrichten. Auch andere Gegenden sind betroffen, so erhalten 8679 Schüler eine zweisprachige Erziehung mit Elsässisch, 3509 in Okzitanisch und 766 in Kalatanisch. Diese Entscheidung bedroht diese Sprachen in ihrer Existenz, insbesondere wenn man das Profil der Angehörigen von Minderheitensprachgruppen bedenkt. Mehr als die Hälfte aller, die Bretonisch sprechen, sind älter als 65 und 75 Prozent älter als 50. Bei denen, die Elsässisch sprechen, sieht es ähnlich aus. Auch Sprachminderheiten in Italien, Österreich und Deutschland beklagen verschiedenen Formen der Diskriminierung.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker appelliert daher eindringlich an die UB:

  • den Status von Minderheitensprachen in Europa zu überwachen
  • die Regierung Griechenlands aufzufordern, die Vielsprachigkeit des Landes anzuerkennen, den Angehörigen von Sprachminderheiten zu gestatten, ihre Sprachen zu fördern und muttersprachliche Medien aufzubauen und dafür zu sorgen, dass das Europäische Büro für Sprachminderheiten in Griechenland ein Büro eröffnen kann
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  • die Regierung Frankreichs aufzufordern, die Entscheidung des Staatsrates betreffs alleiniger Verwendung des Französischen als Unterrichtssprache zu annullieren und Projekte für die zweisprachige Erziehung zu fördern.
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