29.10.2020

Ölförder-Genehmigung in Alaska noch kurz vor der Wahl?

Viel Schaden für Umwelt und indigenen Lebensraum (Pressemitteilung)

Die noch amtierende US-Regierung will das Schutzgebiet Alaska National Wildlife Refuge (ANWR) für die Erschließung von Öl- und Erdgas-Vorkommen freigeben. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) warnt vor den desaströsen Konsequenzen des Vorhabens für die indigenen Gwich'in auf dem Gebiet. „Dieses Volk lebt sehr traditionell von der Karibu-Jagd“, erklärt Yvonne Bangert, GfbV-Referentin für indigene Völker. „Rohstoffförderung in großem Maßstab würde diese Lebensweise dort unmöglich machen und den Gwich'in die materielle und spirituelle Lebensgrundlage entziehen.“ 

Die Rohstoffförderung in Alaska ist seit Jahrzehnten ein Streitthema. Der ehemalige Präsident Barack Obama erließ kurz vor der Amtsübergabe an seinen Nachfolger Donald Trump ein Moratorium zum Schutz des ANWR. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hob dieser es wieder auf. Das zuständige Innenministerium schloss seine Umweltprüfung kürzlich ab und empfahl im September dieses Jahres, die Versteigerung von Öl- und Gas-Konzessionen in der umstrittenen Küstenebene zu erlauben. „In seinem Gutachten kommt das Ministerium zwar selbst zu dem Schluss, dass die Fördermaßnahmen Schäden für Umwelt und Wildtiere bedeuten würden, hält das aber offenbar für unerheblich“, berichtet Bangert. „Nach aktuellem Stand könnten die ersten Lizenzen noch in diesem Jahr versteigert werden.“ Indigene und Umweltschutzorganisationen liefen Sturm gegen dieses Vorgehen und würden rechtliche Schritte einleiten.

In dem 78.000 Quadratkilometer großen Gebiet werden bis zu 16 Milliarden Barrel Öl vermutet. Recherchen der New York Times zufolge war das Ergebnis der bisher einzigen Probebohrung innerhalb des ANWR allerdings enttäuschend. Laut Medienberichten seien auch die zu erwartenden Einnahmen für die Staatskasse mager, nicht zuletzt wegen der niedrigen Weltmarktpreise für Rohöl. „Die Trump-Regierung ist bei diesem wirtschaftlich unsinnigen und äußerst umweltschädlichen Projekt aber in großer Eile“, so Bangert „Denn sein Kontrahent Joe Biden hat angekündigt, das ANWR im Falle seines Wahlsieges unter dauerhaften Schutz zu stellen.“ Das würde erheblich schwieriger, wenn Energieunternehmen bereits Rechte an großen Teilen des Gebietes ersteigert hätten.

Die rund 9.000 Gwich'in leben heute zumeist in 15 Siedlungen und Gemeinden im Nordosten und Osten von Interior Alaska sowie in Kanada, im Norden des Yukon und in den Nordwest-Territorien. Ihre kulturelle und wirtschaftliche Lebensgrundlage ist die Porcupine Karibu-Herde, die größte noch frei umherschweifende Herde in Nordamerika. Deren weibliche Tiere kalben im ANWR und ziehen dort ihre Jungen auf, bis sie kräftig genug sind, um mit der Herde zu wandern. Die Herde zählt nach Angaben des amerikanischen Fish and Wildlife Service etwa 197.000 Tiere.