23.10.2020

Politische Reformen in Sinjar (Irak)

GfbV unterstützt yezidische Forderungen (Pressemitteilung)

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) unterstützt eine Erklärung von yezidischen Persönlichkeiten und Institutionen bezüglich der Einigung zwischen der irakischen Zentralregierung und der Regionalregierung Kurdistan (KRG) bezüglich der Zukunft des yezidischen Kerngebietes Sinjar (Shingal) im äußersten Nordwesten des Iraks. 

In der Stellungnahme begrüßen die unterzeichnenden Persönlichkeiten und Institutionen grundsätzlich die Einigung zwischen Bagdad und KRG. Sie stellen jedoch konkrete Forderungen an die beiden Regierungen. „Nur ein Ende des Streites um Sinjar kann den hunderttausenden yezidischen Geflüchteten, die noch immer in Flüchtlingslagern leben, eine Rückkehr in ihre historische Heimat, aus der sie vor den brutalen Angriffen der Radikalislamisten des sogenannten Islamischen Staates im Sommer 2014 flüchten mussten“, erklärt der GfbV-Nahostexperte Dr. Kamal Sido. Auch der Wiederaufbau mit internationaler Unterstützung insbesondere aus Deutschland und anderen Länder der EU könne nur Erfolg haben, wenn eine einheitliche und stabile Verwaltung in Sinjar errichtet werde. Zudem müssten alle yezidischen Milizen in legale, reguläre Verbände des irakischen Militärs integriert werden.     

Die GfbV wie auch viele yezidische Stimmen warnen schon jetzt vor einem Scheitern der Einigung zwischen Bagdad und Kurdistan. Viele Kräfte, insbesondere schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, könnten versuchen, die Umsetzung des Abkommens zu erschweren. Auch der IS und andere radikalsunnitische Kräfte versuchen, ihre Herrschaftsansprüche in der Region durchzusetzen – mit direkter militärischer Unterstützung durch das türkische Militär. Türkische Kampfflugzeuge, insbesondere Drohnen, fliegen immer wieder Angriffe auf Sinjar. Angeblich bekämpfen sie die kurdische PKK. Tatsächlich haben sie jedoch yezidische Aktivistinnen und Aktivisten zum Ziel, die die Region Sinjar vor IS-Angriffen schützen wollen. 

„Das seit Jahrhunderten benachteiligte Sinjar darf nicht zu einem Objekt eines geopolitischen Streites zwischen dem schiitischen Iran und der sunnitischen Türkei werden“, fordert Sido. „Die yezidische Bevölkerung war immer wieder Verfolgung, Vertreibung und Genoziden durch die muslimischen Nachbaren ausgesetzt. Die Menschen sind des Krieges müde, sie wollen endlich in Ruhe und Frieden leben.“ Daher seien die Regierungen in Bagdad und Kurdistan aufgefordert, Konflikte um Sinjar friedlich und unter aktiver Beteiligung der yezidischen Bevölkerung auszutragen und zu lösen.    

Die zitierte Stellungnahme wurde am gestrigen Donnerstag, den 22. Oktober, veröffentlicht. Zu den Unterzeichnenden gehören u. a. Dr. Mirza Hasan Dinnayi, yezidischer Autor und Aktivist aus Sinjar und Träger des „Aurora Prize for Awakening Humanity“ 2019, sowie der Zentralrat der Êziden in Deutschland. Sie hängt dieser Mitteilung in deutscher Übersetzung an.

 

Stellungnahme zum Abkommen in deutscher Übersetzung und Liste der unterzeichnenden Personen und Organisationen