08.06.2006

Sieben vergiftete Roma-Kinder aus verseuchtem Flüchtlingslager im Kosovo zur Behandlung in Bad Emstal

DOSSIER

Foto: F.Witte

DIE GESELLSCHAFT FÜR BEDROHTE VÖLKER ERHEBT

MASSIVE VORWÜRFE GEGEN UNMIK UND BUNDESREGIERUNG

Auf Initiative der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) sind sieben zum Teil schwer erkrankte Roma-Flüchtlingskinder aus dem Kosovo mit ihrem Vater in Deutschland eingetroffen. Shaban Mustafa und seine Kinder Kasandra (5), Denis (8), Zejnija (8), Suada (10), Shkurta (12), Serdjana (14), Semrana (15) werden seit dem 29. April 2006 im Institut für Functional Medicine und Umweltmedizin des Umweltmediziners Dr. Klaus-Dietrich Runow in Bad Emstal bei Kassel behandelt. Die fünf bis 15 Jahre alten Geschwister – sechs Mädchen und ein Junge – leiden unter hochgradiger Bleivergiftung, weil sie seit 1999 in einem mit giftigen Schwermetallen verseuchten Flüchtlingslager leben müssen. Es ist eines von drei Lagern, die der UNHCR direkt neben der Abraumhalde einer ehemaligen Bleischmelzanlage bei Mitrovica errichtet hat.

Alle Kinder weisen Belastungen von Blei, Cadmium, Quecksilber und anderen gefährlichen Stoffen auf, die zum Teil 200- bis 1200-fach über den Grenzwerten liegen. Außerdem leiden sie unter zahlreichen Symptomen, wie Konzentrationsschwäche, Krämpfe, Apathie und komatöse Zustände, die jetzt im Bad Emstaler Institut therapiert werden.

Die Familie Mustafa wird begleitet von dem Leiter des GfbV-Teams im Kosovo, Herrn Paul Polansky, und seiner Roma-Mitarbeiterin Frau Miradija Gidzic.

Die Mutter der sieben Halbwaisen Rukija Mustafa starb am 13. Juli 2005 im Krankenhaus in Mitrovica, nachdem sie durch einen Kaiserschnit ihr elftes Kind zur Welt brachte. Das Baby war eine Totgeburt. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat die hohe Bleibelastung ihren Tod mitverursacht. Der Ehemann lehnte eine Obduktion seiner Frau und seines Kindes ab. In der Sterbeurkunde des Krankenhauses ist zu lesen, dass das Baby bei der Geburt und Rukija wenige Stunden später an einer Herzattacke starb. Sie ließ 10 Kinder zurück.

Die Familie hat viel gelitten. Der Vater muss sich nun alleine um 7 Kinder kümmern (3 Töchter haben inzwischen ihre eigenen Familien). Sie hatten kein Geld und keine Lebensmittel. Er half seiner Familie, indem er nach Essensresten in Müllcontainern suchte, um seine Kinder zu ernähren. Im Kosovo konnte die Gesellschaft für bedrohte Völker ihm helfen, da es einige Spenden für Familien in den Flüchtlingslagern in Nord-Mitrovica gab.

Im Oktober 2005 besuchte der Umweltmediziner Dr. Klaus-Dietrich Runow gemeinsam mit einer Delegation der Gesellschaft für bedrohte Völker die Flüchtlingslager im Kosovo. Dr. Runow nahm Haarproben von 64 Kindern. Die höchste jemals in menschlichem Haar nachgewiesene Bleibelastung fand er in den Haarproben der Kinder von Rukija und Shaban Mustafa. Zwei von ihnen wiesen Bleiwerte auf, die 1200 Mal höher waren als normale Werte – die höchsten Bleiwerte in der Geschichte der Medizin.

Kassandra wurde zweimal in das "Institut für den Schutz von Mutter und Kind" in Belgrad zur Behandlung gegen Bleivergiftung gebracht. Aufgrund der hohen Bleiwerte verfiel sie im letzten Jahr in ein ständig wiederkehrendes Koma. Das Kosovo-Team der GfbV befürchtete, dass sie den Flug nach Deutschland nicht überleben wird. Inzwischen geht es ihr viel besser.

Finanziert wird die Behandlung der Kinder in Deutschland von der Stiftung der Bild-Zeitung "Ein Herz für Kinder". Die Gesellschaft für bedrohte Völker hofft, dass dies nicht die einzige Familie bleibt, die vor dem Tod durch Bleivergiftung gerettet wird. Es gibt 128 weitere betroffene Roma-Familien, die evakuiert und adäquat medizinisch behandelt werden müssen.

Miradijas Gidzic: "Ich sah sie (Mutter Rukija Mustafa, Anm. des Übersetzers) einen Tag bevor sie starb. Sie sagte, sie sei glücklich darüber, einen Sohn zu bekommen. Sie ging regelmäßig zur Schwangerschaftskontrolle in das Krankenhaus in Nord-Mitrovica. Kein Arzt hat ihr jemals gesagt, dass sie ein totes Baby in sich trug. In unserem Dokumentarfilm "Gipsy Blood" gibt Rukija 5 Tage vor ihrem Tod ein Interview."

"Sieben Jahre lang haben UN-Repräsentanten im Kosovo gesagt, dass es unmöglich sei, die leidenden Roma in einem anderen Land behandeln zu lassen, dass niemand ihnen helfen wolle. Doch jetzt können wir der UN zeigen, dass es möglich ist, leidenden Roma in Deutschland zu behandeln." (Miradija Gidzic, Rede auf der Jahreshauptversammlung 2006 der GfbV)

Die GfbV erhebt schwere Vorwürfe gegen die UN-Verwaltung im Kosovo UNMIK. Sie hat die drei Flüchtlingslager Cesmin Lug, Kablare und Zitkovac trotz zahlreicher persönlicher und schriftlicher Warnungen der GfbV und trotz dringender Evakuierungsempfehlungen medizinischer Experten sieben Jahre lang betrieben. Dort mussten rund 560 Roma – unter ihnen 218 Kinder unter zehn Jahren – ausharren. Sie waren ständig einer hohen Belastung mit giftigen Schwermetallen ausgesetzt. Die UNMIK hat im Frühjahr 2006 begonnen, die Flüchtlinge in die ehemalige französische Militärbasis "Osterode" umzusiedeln. Sie liegt nur 20 m von der schwermetallverseuchten Halde entfernt. Das Projekt der Umsiedlung wird von einigen westeuropäischen Staaten unterstützt und mitfinanziert. Die deutsche Bundesregierung beteiligt sich an dem Projekt mit 500 000 EUR. Inzwischen wurde rund die Hälfte der 560 Flüchtlinge in den Lagern von der UN-Verwaltung in das Lager "Osterode" umgesiedelt. Auch dieser Ort ist kontaminiert. Durch Abtragen der bleibelasteten oberen Erdschicht und Abdeckung der unteren Schichten mit einem Zementbelag sollte – nach Auskunft des Auswärtigen Amtes – eine Gesundheitsgefährdung der im "Camp Osterode" untergebrachten Menschen reduziert werden.

Im Zusammenhang mit der Umsiedlung der Roma, bekräftigte der Umweltmediziner Dr. Runow in einem Brief an die Gesellschaft für bedrohte Völker: "Aus umweltmedizinischer Sicht ist die Umsiedlung in das ehemalige KFOR-Camp "Osterode" überaus problematisch. Aus meinen Untersuchungen geht hervor, dass die Roma-Flüchtlinge extrem belastet sind. Um sie zu retten, muss die Umsiedlung an einen deutlich entfernten Ort eingeleitet werden. Es reicht nicht, die Blei belasteten Böden zu betonieren, denn der Kontakt mit dem giftigen Schwermetall kommt immer noch durch die Luft zustande. Ich habe selbst das ehemalige KFOR-Camp besucht und sah die Berge von toxischem Endmaterial, die sich in unmittelbarer Nähe von "Osterode" befinden und nicht nur den Boden, sondern auch die Luft kontaminieren. Therapie und Entgiftung sind an einem Ort dieser Belastung nicht möglich. Man kann die Flüchtlinge erst heilen, wenn es zu einem Expositionsstopp gekommen ist. Natürlich sind die Lebensbedingungen auf dem ehemaligen Militärstützpunkt besser, doch was haben die Flüchtlinge davon, wenn sie weiter an Schwermetallvergiftung leiden müssen?"

Es ist absurd anzunehmen, dass sanitäre Anlagen, fließend Wasser, Elektrizität und Beheizung, die den Roma- und Aschkali-Flüchtlingen jetzt erst – nach sechs Jahren Flüchtlingsdasein – zur Verfügung gestellt werden sollen, den Vergiftungsprozess aufhalten und gar rückgängig machen können. Wir denken an die besonderen Gefahren für Schwangere und Kinder. Es hat schon in jüngster Zeit eine Reihe von Fehlgeburten gegeben. Den französischen Soldaten, die nur wenige Monate in "Osterode" stationiert waren, wurde wegen der Bleibelastung dringend nahegelegt, innerhalb der ersten neun Monate nach ihrer Rückkehr in Frankreich keine Kinder zu zeugen. Das GfbV-Team vor Ort geht davon aus, dass mindestens 37 Todesfälle in den Lagern auf Bleivergiftung zurückzuführen sind.

128 weitere Familien brauchen dringend die Unterstützung von Ärzten und Experten für Umweltmedizin, in deren Macht es steht, die UN und ihre Mitgliedsstaaten - so auch Deutschland von einer sofortigen Evakuierung der kontaminierten Flüchtlingslager zu überzeugen. Wenn die Flüchtlinge nicht sofort an einen sicheren Ort gebracht werden, werden schwangere Frauen weiterhin Fehlgeburten erleiden oder Kinder mit irreparablen Hirnschäden zur Welt bringen. Frisches Obst und Gemüse, dass im Auftrag der UNMIK geliefert wird, kann die kranken, vergifteten Männer, Frauen und Kinder nicht retten. Entgiftungen können in dem belasteten Militärstützpunkt "Osterode" nicht durchgeführt werden.

Das Team der Gesellschaft für bedrohte Völker dokumentiert seit 1999 die katastrophalen Verhältnisse in drei Flüchtlingslagern, die 1999 auf der Abraumhalde eines ehemaligen Bergwerkes errichtet worden waren. Die UNMIK hat dort 560 Roma und Aschkali jahrelang wissentlich einer extrem hohen Belastung mit tödlich giftigen Schwermetallen ausgesetzt.

 

MENSCHENRECHTE, DIE VERLETZT WERDEN:

- Recht auf Leben (Artikel 2)

- Verbot der Folter, Verbot der inhumanen und erniedrigenden Behandlung (Artikel 3)

- Recht auf faires Gehör (Artikel 6)

- Recht auf Respektierung des privaten Lebens und des Familienlebens (Artikel 8)

- Recht auf effektive Heilmittel (Artikel 13)

- Verbot der Diskriminierung (Artikel 14)

 

WER TRÄGT DIE SCHULD?

Stellungnahme von Herrn Paul Polansky zu den Anschuldigungen der UN-Beamten im Kosovo, Roma trügen selbst Schuld an ihrer Bleivergiftung.

UN-Beamte weigern sich zu erklären, dass die Bleivergiftungen in den Roma-Flüchtlingslagern ein dringender medizinischer Notfall seien.

Stattdessen beschuldigen die UN-Beamten die Roma, sich selbst durch das Ausschlachten von Autobatterien vergiftet zu haben.

Was ist die Wahrheit? Wer trägt wirklich Schuld für das, was das Internationale Komitee des Roten Kreuzes die "größte medizinische Tragödie im Kosovo" genannt hat?

Im November 1999 entschied der UNHCR, drei Flüchtlingslager auf kontaminiertem Gebiet in Nord-Mitrovica nahe der Stadt Zvechen/Zvecani zu bauen. Der UNHCR wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, dass das Gebiet kontaminiert ist, versicherte aber, dass die Flüchtlinge nicht länger als 45 Tage dort leben würden. Es wurde sogar Verträge mit den Gemeinden unterzeichnet, die eben diese Aussage bestätigen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) führte im Sommer 2000 eine Reihe von Blutuntersuchungen in Mitrovica durch, nachdem man feststellte, dass französische Soldaten und UN-Polizisten gefährlich hohe Bleiwerte in ihrem Blut hatten. Die Soldaten und UN-Polizisten hatten ein kürzlich zuvor von der UN erbautes Sportterrain zwischen den Flüchtlingslagern und Abraumhalden zum Joggen benutzt.

Im Oktober 2000 überreichte die WHO einen Bericht an die UNMIK, der besagte, dass ganz Mitrovica bleiverseucht sei, es jedoch in den Flüchtlingslagern am schlimmsten sei. Die WHO empfahl eine Evakuierung der Lager. Die UN-Polizisten und die französischen Soldaten, die die gleichen Bleiwerte wie die Bewohner der Flüchtlingslager hatten, wurden für eine medizinische Behandlung in ihre Heimat zurückgesandt. Die Flüchtlinge wurden hingegen nicht evakuiert, auch wurde kein einziger Roma medizinisch behandelt. Es wurde ihnen noch nicht einmal gesagt, dass sie bleivergiftet sind.

2001 wurden alle Lebensmittel- und Hygienehilfen der UN für die Flüchtlingslager gestoppt. Die Flüchtlinge sollten eine Arbeit finden, um sich selbst zu versorgen. Selbstverständlich gab es keine Arbeit für hauptsächlich albanisch sprechende Roma in Nord-Mitrovica, so dass einige Männer ihre alte Tätigkeit wieder aufnahmen und Autobatterien ausschlachteten. Ein Kosovo-Serbe bekam von dem UN-Verwaltungsbüro in Zvechen/Zvecani eine Genehmigung, um Autobatterien auszuschlachten. Er entsorgte seine Autobatterien mit einem offenen Pickup-Truck an der Hauptstraße, die zu den Flüchtlingslagern führt. Die Roma schlachteten so wenige Autobatterien aus, dass diese teilweise über Monate am Straßenrand standen. Jeder, der die Lager besuchte, konnte die Autobatterien sehen.

Im August 2004 führte die WHO erneut Blutuntersuchungen durch, nachdem ein vierjähriges Mädchen an einer Bleivergiftung gestorben war. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits mehr als 20 Flüchtlinge in den Lagern gestorben. Im Nachhinein konnten auch diese Tode mit Bleivergiftungen in Verbindung gebracht werden, da überlebende Familienmitglieder lebensbedrohlich hohe Bleiwerte haben.

Ein weiterer Bericht der WHO im November 2004 ergab, dass die Bleiwerte von Roma-Kindern so hoch waren, dass die UN diese, sowie schwangere Frauen sofortig evakuieren müssten.

Doch bis zum Januar 2006 geschah nichts. Inzwischen waren insgesamt 37 Menschen gestorben. Obwohl niemals Autopsien gemacht wurden, hat ein serbischer Arzt, der die Krankheitsstadien einiger Kinder bis zu deren Tod mitverfolgt hat, bestätigt, dass die meisten unter ihnen an einer Bleivergiftung gestorben waren.

Im Gegenzug baut die UN nun ein neues Lager in der verlassenen französischen Militärkaserne "Osterode", die nur 20 m von zwei der Flüchtlingslager entfernt sind, mit angeblich 1300 000 Euro auf, um die Roma dorthin umzusiedeln.

Diese "Umsiedlung" scheint lediglich eine Augenwischerei der UN zu sein, damit sie sagen kann, sie hätte etwas getan. Laut Angaben interviewter französischer Soldaten wurde diesen von Militärärzten empfohlen, bis zu neun Monate nach der Rückkehr aus "Osterode" kein Kind zu zeugen. Dies ist der Grund, warum die französische Kaserne aufgegeben wurde.

Die Flüchtlingslager und die Kaserne "Osterode" wurden von zwei renommierten Medizinern, die auf Bleivergiftungen spezialisiert sind, besucht.

Dr. Klaus-Dietrich Runow, ein deutscher Arzt, der ein Institut für die Behandlung von Schwermetallvergiftungen leitet, hat die Flüchtlingslager im Oktober 2005 besucht. Er nahm 64 Haarproben von Kindern, die in den Flüchtlingslager leben, und sendete die Proben zur Analyse in das weltbekannte Labor in Chicago. Die Ergebnisse zeigten nicht nur, dass alle Kinder lebensgefährliche Bleivergiftungen haben, sondern auch, dass einige von ihnen die höchste jemals in menschlichem Haar nachgewiesene Bleibelastung haben.

Die Ergebnisse zeigten auch gefährlich hohe Werte von 37 anderen toxischen Metallen mit lebensbedrohlichen Werten von Arsen, Quecksilber und Nickel. Dr. Runow präsentierte seine Ergebnisse in einer vor kurzem abgehaltenen Konferenz mit rund 50 Experten für Schwermetallvergiftungen. Er erklärte, dass das Ausschlachten von Autobatterien keine Gifte wie Arsen, Quecksilber oder Nickel produziert. Er sagte, dass die UN lediglich versuche, von ihren Verfehlungen abzulenken, indem sie behauptete, dass das Ausschlachten von Autobatterien zu lebensbedrohlichen Bleiwerten führen würde.

Dr. Rokho Kim, ein Mediziner der Harvard Universität und Experte für Bleivergiftungen, hat ebenfalls einige Male die Flüchtlingslager im Kosovo besucht. Ich interviewte ihn im April 2005 und fragte, ob das Ausschlachten von Autobatterien zu Bleivergiftungen der Roma-Kinder führen könnte. Er antwortete: "Nein!" Dr. Kim sagte, die Flüchtlingslager seien auf einer vergifteten Abraumhalde erbaut worden, den Überresten der Trepca-Minen. Das Ausschlachten von Autobatterien hätte seiner Meinung nach die Bleiwerte in den Körpern der Kinder erhöhen können, es habe aber keinesfalls zu den extrem hohen Bleiwerten führen können, die die Kinder haben. Er schätzte, dass die Roma-Kinder Werte von 80 bis 90 mg/dl hätten. (Die Tests von Dr. Runow zeigten, dass die Werte sogar bei 120 mg/dl lagen.) Dr. Kim sagte, dass die hohen Bleiwerte nicht von dem Ausschlachten der Autobatterien herrührten, sondern von dem Land, dem Boden, auf dem die Flüchtlingslager gebaut wurden.

Dr. Runow glaubt, dass die meisten Fälle von Schwermetallvergiftung in den Lagern auf die kontaminierte Luft zurückzuführen sind. Er sagt, dass die Abraumhalde die Hauptursache für die Vergiftungen in den Lagern und "Osterode" sei. Ihm zufolge wird toxischer Staub in die Lager geweht. Das Betonieren des Bodens und dessen Reinigung werden weder die Bleivergiftung noch die lebensbedrohlichen Werte von Arsen, Quecksilber und Nickel der Menschen in den Lagern verhindern.

Auf der Konferenz über Schwermetallvergiftungen in Deutschland wurden Ergebnisse der Untersuchungen von 7 Roma-Kindern und ihrem Vater aus dem Flüchtlingslager Zitkovac vorgestellt. Dr. Weber vom Premedical-Active Institute in Bad Wildungen, sagte dass nur der Vater eine "gute" DNA besitze, die auch durch medizinische Behandlung gerettet werden könne. Die DNA der Kinder sei dermaßen zerstört, dass sie niemals in ihrem Leben Sport treiben könnten. Schwermetallvergiftungen (nicht nur Blei) haben die Biochemie ihrer Zellen zerstört. Durch eine Behandlung können ihre Leben gerettet werden, doch sie alle werden eine kürzere Lebenserwartung aufgrund ihrer Umweltvergiftungen haben. Die Testergebnisse der Roma-Kinder waren die niedrigsten, die er in 30-jähriger Erfahrung erlebt hat. Er hätte nie gedacht, dass Energiewerte so niedrig sein könnten. Er sagte, die Werte der Familie Mustafa seien so, wie er sie sich bei Überlebenden der Konzentrationslager aus dem Zweiten Weltkrieg vorgestellt habe.

Die UN muss endlich die Verantwortung für das, was sie den Roma-Flüchtlingen angetan hat, akzeptieren. UN-Polizisten und französische Soldaten hatten keine hohen Bleiwerte, die von dem Ausschlachten von Autobatterien resultierten. Auch die Roma hatten dies nicht. Der Boden der Lager und die Luft sind kontaminiert. Jedes Kind, das in den Flüchtlingslagern geboren wird, wächst mit irreversiblen Hirnschäden auf. Die UN muss damit aufhören, die Roma zu beschuldigen. Die UN muss die Lager und "Osterode" evakuieren und den Opfern eine medizinische Behandlung zusichern.

Paul Polansky

Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)

Leiter des GfbV-Kosovo-Teams

 

INTERVIEW MIT DER FAMILIE MUSTAFA

(von Miradija Gidzic)

Mein Name ist Shaban Mustafa und ich bin 50 Jahre alt. Ich habe 12 Kinder gezeugt. Die Jüngste ist Kasandra, sie ist 4 Jahre alt. Vier meiner Kinder starben einige Stunden oder einige Tage nach ihrer Geburt. Das erste Kind starb vor 20 Jahren. Drei weitere Kinder starben, nachdem wir 1999 in das UN-Flüchtlingslager gezogen waren. Diese drei starben nur kurze Zeit nach ihrer Geburt.

Als wir 1999 aus Süd-Mitrovica vor den Albanern flüchteten, die unser Haus nieder brannten, gingen wir nach Nord-Mitrovica. Der UNHCR errichtete an derselben Stelle Zelte, wo heute die Flüchtlingslager sind. Wir lebten 2 ½ Jahre in den Zelten. Der UNHCR baute Baracken mit gebrauchten Material und Brettern. In diesen Baracken lebten wir, bis wir vor 20 Tagen nach Deutschland kamen.

Letztes Jahr im Juli starb meine Frau bei der Geburt meines Sohnes. Er starb ebenfalls. Der lokale Arzt behauptet, dass meine Frau von einem Herzinfarkt gestorben sei. Mein Sohn war eine Totgeburt. Meine Frau ging regelmäßig zur Schwangerschaftsuntersuchung. Sie ging dort fast jede Woche hin, doch kein Arzt sagte uns, dass sie ein totes Baby in sich trüge. Der Arzt schrieb in den Entlassungspapieren Rukijas, dass das Baby während der Geburt gestorben sei. Ich wusste, dass etwas nicht stimmte, was die Ärzte uns aber nie erzählten. Das Baby wog 5,8 kg. Es war ein sehr großes Baby; wahrscheinlich schwoll es im Mutterleib an. 20 Tage vor der Geburt gab uns ein serbischer Arzt 20 Pillen, damit meine Frau schneller gebäre, weil sie das Baby schon über 9 Monate in sich trug. Sie starb nach dem Kaiserschnitt. Der Arzt konnte keinen von beiden retten.

Meine 4-jährige Tochter Kasandra hatte große Gesundheitsprobleme, bevor wir nach Deutschland kamen. Sie wurde zweimal nach Belgrad gebracht – einmal von der WHO und einmal von Herrn Polansky, um gegen die Bleivergiftung behandelt zu werden. Sie hatte die höchsten Bleiwerte von allen Kindern der 3 Flüchtlingslager. Sie fiel mehrmals monatlich in ein Koma, besonders wenn sie weinte oder nervös war. Sie würde jedes Mal ca. 10 bis 15 Minuten in das Koma fallen. Wir wussten nicht, ob sie tot oder lebendig war.

Meine älteste Tochter Semrana ist nach 7 Jahren in dem Flüchtlingslager geistig zurück geblieben. Ihr Lehrer rief mich an und sagte mir, ich solle Semrana nicht mehr zur Schule gehen lassen, weil sie verrückt sei. Sie verursachte viele Probleme in der Schule.

Wir hatten ein sehr schlechtes Leben in dem Flüchtlingslager. Wir waren 11 Personen in unserer Familie und mussten gemeinsam in 2 Räumen mit der Größe von jeweils 3 x 3 Metern wohnen. Im Winter wären wir fast an Kälte gestorben. Die UN gab uns selten Feuerholz; Lebensmittel gab sie uns gar nicht. Paul Polansky und seine Mitarbeiter waren die einzigen, die unserer Familie wirklich geholfen haben. Sie kauften uns mehrmals monatlich Lebensmittel. Er brachte einen Journalisten und einen Photographen in unsere Flüchtlingslager. Ihre Zeitung half uns, nach Deutschland zur medizinischen Behandlung zu kommen.

Dr. Runow betreut uns in Bad Emstal. Hier ist die Luft rein und alles ist so sauber. Seitdem wir hier sind, haben die Kinder viel mehr Energie als in dem Lager. Jetzt handeln sie eher wie normale Kinder: sie spielen auf dem Spielplatz, gehen schwimmen, haben 3-mal täglich gutes Essen. Zu hause aßen wir meist noch nicht einmal eine Mahlzeit pro Tag.

"Das Essen mag ich hier am meisten", sagte Serdjana, 14 Jahre alt. "Zu Hause aßen wir meist nur Bohnen und Brot."

Shkurta, 12 Jahre alt, sagte: "Ich mag es hier zu leben, weil es hier keinen Staub gibt. Ich kann die gleiche Hose mehrere Tage tragen, weil sie nicht gleich dreckig wird. Im Lager konnte ich eine Hose nur ein paar Stunden tragen, weil es dort kein Grün gibt, nur Staub."

Zenija, 6 Jahre alt, meinte: "Ich lebe hier gerne, weil ich hier ein schönes Badezimmer habe und so oft duschen kann, wie ich will. In den Lagern sind alle Toiletten mit Exkrementen verstopft. Hier mag ich das Schwimmbad am meisten."

Kasandra, 4 Jahre alt, sagte, dass sie die neue Kleidung und die Spielsachen am meisten möge.

Denis, 7 Jahre alt, erklärte: "Hier ist es 100-mal besser als im Kosovo. Dort hatten wir keinen Platz zum Spielen. Hie haben wir sogar einen Spielplatz."

Semrana, 15 Jahre alt sagte, "Hier gibt es keine Verschmutzung. Man riecht nur schöne Dinge."