25.01.2021

Verfassungsgespräche für Syrien (25.01.)

Keine Unterstützung ohne zivilgesellschaftliche Beteiligung (Pressemitteilung)

Zur fünften Runde der Verfassungsgespräche für Syrien, die am morgigen Montag in Genf beginnen soll, appelliert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an die deutsche Bundesregierung, dem Format ihre Unterstützung zu entziehen. Politische Deckung und Finanzierung müssten davon abhängen, ob Repräsentanten der syrischen Zivilgesellschaft und der ethnischen sowie religiösen Minderheiten mit am Tisch sitzen. „Das Verfassungskomitee sollte über eine syrische Verfassung für die Zeit nach Assads Regime verhandeln und Sorge tragen, dass im zukünftigen Syrien Demokratie, Menschen- und Minderheitenrechte sowie Frauenrechte garantiert werden. Das gegenwärtige Verfassungskomitee besteht jedoch hauptsächlich aus Männern des syrischen Regimes und von der Türkei kontrollierter islamistischer Gruppen“, erklärte Dr. Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV, heute in Göttingen. Das Komitee stehe vollständig unter der Kontrolle der Türkei und Russlands, die an einer Umsetzung der ursprünglichen Ziele der UN-Resolution 2254 aus dem Jahr 2015 kein Interesse hätten. 

„Die Türkei und ihre syrischen Milizen sehen weniger Assad als Feind: Sie bekämpfen lieber die kurdische Volksgruppe und andere Minderheiten im Land. Dafür sind sie sogar bereit, mit dem sogenannten ‚Islamischen Staat‘ und den verschiedenen mit Al-Qaida verbundenen Milizen zusammenzuarbeiten“, so Sido. „Als Feinde betrachten die türkischen Nationalisten und radikalen Islamisten vor allem die kurdischen, christlichen, yezidischen, alevitischen und drusischen Minderheiten.“ 

Längst sei es Russland, dem Iran und der Türkei gelungen, mit dem Astana-Format wichtige Bereiche des Friedensprozesses zu kontrollieren. Immer wieder würden Repräsentanten der syrischen Zivilgesellschaft aus diesem und anderen Komitees entfernt. Zuletzt wurde ein syrisch-kurdischer Aktivist aus der syrisch-kurdischen Region Kobane vom Verfassungskomitee ausgeschlossen. „Das Verfassungskomitee für Syrien sollte neu gebildet werden. Die syrischen Frauen sowie Vertreterinnen und Vertreter der kurdischen Bevölkerung und anderer Minderheiten müssen gerecht am Komitee beteiligt werden. Insbesondere die Gruppen, die in den letzten Jahren aktiv gegen den IS und andere Radikale gekämpft haben, erwarten Mitbestimmung. Wer in diesem Komitee sitzt, sollte jedenfalls die UN bestimmen – und nicht die Türkei und Russland“, fordert Sido. 

Im von Russland dominierten Astana-Format sind ansonsten hauptsächlich die Türkei und der Iran vertreten. Die im Dezember 2015 vom UN-Sicherheitsrat einstimmig beschlossene Resolution 2254 fordert hingegen politische Reformen, faire Wahlen, eine Reform des Sicherheitssektors und die gemeinsame Bekämpfung des Terrorismus.

 

Sie erreichen Dr. Kamal Sido unter k.sido@gfbv.de oder 0173/6733980.