07.04.2010

Zunehmende Gewalt gegen Zivilisten

WRITTEN STATEMENT Thailand

Seit Januar 2004 fanden etwa 9.500 Angriffe statt, die zu mehr als 4.100 Todes- und mehr als 6.400 Verletzungsfällen führten. Die jüngsten Bombardements, auf die massive Umzingelungsmaßnahmen seitens der Armee sowie paramilitärer Truppen folgten, unterstreichen die Schwierigkeiten der Regierung, Kontrolle über die Region, die reich an Naturkautschuk ist, zu erlangen und den Schutz grundlegender Menschenrechte sicherzustellen.

Am 8. Juni 2009 umzingelten sechs Bewaffnete die Al Furqan-Moschee in dem Dorf Ai Pa Yay (Provinz Narathiwat) während der Abendgebete und eröffneten Feuer. Elf Moscheebesucher wurden getötet und elf verletzt. Der Angriff löste in der muslimischen Welt Empörung aus, die von einigen thailändischen Beamten, die muslimische Aufständische für die Morde verantwortlich machten, angeheizt wurde. Im Januar 2010 mussten thailändische Behörden zugeben, dass das Massaker von einem früheren Armeeangehörigen begangen worden war und dass buddhistische Mitglieder der Regierung Paramilitärs unterstützt hatten. Der vermutliche Anführer des Angriffs, der Buddhist Sutthirak Kongsuwan, stellte sich am 14. Januar der Polizei. Vier weitere vermeintliche Komplizen sind nach wie vor flüchtig. Alle in den Angriff verwickelten Männer waren militärisch ausgebildet worden.

 

Straffreiheit

Die Spannungen in Südthailand stiegen nach einem allgemein umstrittenen Erlass des Landesgerichts von Songkhla am 29. Mai 2009, der alle Sicherheitsbeamten von jeglichem Fehlverhalten während der Tak Bai-Massaker im September 2004, bei denen 78 unbewaffnete Malay-muslimische Demonstranten an Erstickung starben, freispricht. Das Urteil überging die Tatsache, dass die Protestanten in den Militärfahrzeugen aufeinander gestapelt wurden. In Vertretung für die Verwandten der Massakeropfer reichten Menschenrechtsanwälte eine Petition an das Strafgericht von Bangkok ein, in der sie anführen, das Urteil sei "ungerecht und verletzt die Verfassung".

Es ist nicht das erste Mal, dass Straffreiheit waltet, nachdem thailändische Sicherheitsbeamte Massaker, außergesetzliche Hinrichtungen und Folter in Südthailand verübt haben. Am 28. April 2004 starben in dem "Krue Se" Vorfall 106 Malai-Muslime bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften. 19 von ihnen wurden im Stadtteil Saba Yoi (Provinz Songkhla) getötet und 31 starben, als Sicherheitskräfte die Krue Se-Moschee (Provinz Pattani) stürmten. Obwohl die Kläger eine gerichtliche Untersuchung des Krue Se-Vorfalls in Gang setzten, beschlossen sie, keine Klage gegen die fünf Polizisten und den Soldaten, die in die gewaltsamen Todesfälle verwickelt waren, einzureichen. Es wurde keine Erklärung abgegeben, warum keine Sicherheitsbeamten vor Gericht gestellt wurden.

Das muslimische Anwaltszentrum kennt keine Fälle, in denen Staatsbeamte für die Verletzung von Menschenrechten verfolgt wurden. Aber es sollte betont werden, dass Zivilisten mehr als 400 Klagen bezüglich Menschenrechtsverletzungen eingereicht haben.

 

Zunehmende Gewalt gegen Zivilisten

Aufständische begehen Gewalt gegen Zivilisten, um buddhistische Thailänder zu verjagen und um Zivilisten, die sie der Kooperation oder der Kollaboration mit den Behörden verdächtigen, zu bestrafen. Darüber hinaus versuchen sie, indem sie regelmäßig vorsätzlich auf Zivilisten zielen, ethnische muslimische Malaysier unter ihre Kontrolle zu bringen und thailändische Sicherheitskräfte, die durch unbeholfene Vergeltungsmaßnahmen gegenüber Zivilisten neue Menschenrechtsverletzungen begehen, in Verruf zu bringen.

 

Militärischer Missbrauch von Zivilisten

Willkürliche Festnahmen, Verschwinden, brutale Sucheinsätze, die sich auf ganze Dörfer und Gebiete auswirken, Internierungen in speziellen Sicherheitslagern, außergesetzliche Hinrichtungen und Massaker stehen in Südthailand auf der Tagesordnung. Lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen belegten systematische Folter bei Maßnahmen zur Niederschlagung von Aufständen. Das muslimische Anwaltszentrum in Yala verzeichnete bis April 2008 77 Folterfälle.

Seit 2004 wurden mehr als 10.000 Zivilisten unter dem Verdacht, "Terrorismus" zu unterstützen, inhaftiert. Zeugen berichteten häufig von militärischen Razzien gegenüber jungen muslimischen Männern. Tausende wurden monatelang unter unmenschlichen Bedingungen in geheimen Armeelagern gefangen gehalten, abgeschottet von dem Rest ihrer Familien und unter dem Verbot jeglichen persönlichen Kontakts. Viele Menschen, die unter falschen Anschuldigungen gefangen genommen wurden, berichteten von Einschüchterung, Folter und persönlichen Drohungen durch Sicherheitspersonal. Andere meldeten willkürliche Festnahmen von Familienmitgliedern, die den Druck auf die Häftlinge, ihre persönlichen Kontakte mit Freunden "zuzugeben" oder aufzudecken, erhöhen sollten.

Seit dem Beginn des Konflikts haben Zivilisten im muslimischen Anwaltszentrum fast 1.000 Fälle von Menschenrechtsverletzungen eingereicht. Das Zentrum erhält durchschnittlich 20 Beschwerden pro Woche und hat zwischen Januar und Juni 300 Fälle behandelt, von denen etwa 100 vor Gericht gebracht wurden. Erleichtert wurden Menschenrechtsverletzungen durch das Kriegsrechtsgesetzt, die Notverordnung und eine allgemeine Atmosphäre der Straffreiheit. Das Kriegsrechtsgesetz wurde im Januar 2004 für alle Regionen von Narathiwat, Pattani und der Provinz Yala sowie für vier Bezirke der Provinz Songkhla erlassen. Die Notverordnung wurde im Juli 2005 ursprünglich für das gleiche Gebiet eingeführt und wird seitdem alle drei Monate erneuert.

Seit 2004 haben Gerichte mehr als 70 Prozent der Fälle, die mit Verletzungen des Kriegsrechtsgesetzes oder der Notverordnung in Südthailand verbunden waren, verworfen. Normalerweise braucht jeder Gerichtsfall mindestens zwei Jahre, bis das Gericht eine Regelung vorschlägt. In Fällen, die Menschen unter dem Verdacht, "Terrorismus" zu unterstützen, betreffen, wird fast nie eine Haftaussetzung gegen Kaution zugestanden. Diese Fälle nehmen regelmäßig mindestens vier bis fünf Jahre in Anspruch, um von dem Berufungsgericht und dem Kammergericht/Obersten Gerichtshof geregelt zu werden.

Im November 2009 behauptete das Militär, dass gewaltsame Vorfälle in Südthailand im Jahr 2009 aufgrund der "hearts and minds"-Kampagne der Armee um 28 Prozent zurückgegangen wären. Doch Zeugen vor Ort berichteten, dass diese Zahlen nicht verlässlich seien, da die Soldaten versuchten, Zivilisten einzuschüchtern oder ihnen Geld dafür anzubieten, dass sie Menschenrechtsverletzungen nicht melden.

 

Drohungen gegen Menschenrechtsverteidiger

 

Am 8. Februar 2009 plünderten etwa 20 Soldaten und Polizisten das Büro der Arbeitsgruppe für Frieden und Gerechtigkeit (Working Group for Peace and Justice, WGPJ) in der Provinz Pattani. Sie durchsuchten das Büro drei Stunden lang, gingen durch die Daten auf den Computern und in den Ablagen und schüchterten das Personal ein. WGPJ ist eine international anerkannte Nichtregierungsorganisation, die Menschenrechtsverletzungen in Südthailand meldet.

Seit dem Beginn des bewaffneten Konflikts wurde eine Reihe Menschenrechtsverteidiger von Sicherheitskräften befragt, eingesperrt und gequält. Einige von ihnen "verschwanden". Ihr Schicksal ist noch immer unbekannt. Keiner dieser Fälle wurde ausreichend von den Behörden untersucht und keiner der Täter dieser Menschenrechtsverletzungen wurde zur Rechenschaft gezogen.

 

Zivile Schutzkräfte verursachen Spannungen und Gewalt

Eine Antwort auf die eskalierte Gewalt war der Anstieg an zivilen Verteidigungskräften und Schutzeinheiten für Dörfer, die mehr Sicherheit schaffen sollten. Dies hat jedoch Bedenken über eine unkontrollierte Verbreitung von Waffen ausgelöst, was das misstrauische Klima zwischen Thai-Buddhisten und muslimischen Gemeinschaften vertieft. Mindestens 71.000 "Freiwillige" wurden von den Sicherheitskräften bewaffnet: 47.400 Mitglieder der dörflichen Verteidigungsmannschaften "Chor Ror Bor" und 24.700 "Or Ror Bor" Freiwillige. Bis zum Frühjahr 2010 werden weitere 30.000 zivile Mitarbeiter der Miliz ausgebildet. Erfahrungen in anderen bewaffneten Konflikten (Darfur, Irak) haben die negativen Folgen ziviler Bewaffnung bewiesen, die normalerweise zu der unkontrollierten Verbreitung von Feuerwaffen und dem Verlust jeglicher Machtkontrolle durch staatliche Behörden führt. Selbstverteidigungsfreiwillige sind nicht ausreichend trainiert und neutral, um allen Bürgern Sicherheit zu garantieren. Des Weiteren haben einige dieser zivilen Verteidigungsgruppen in Südthailand Kindersoldaten rekrutiert.

 

Friede nicht vordringlich

Trotz wiederholter Ankündigungen des Premierministers, den Aufstand auf politische Weise zu beenden, hat die Regierung in ihrem Versuch, die Macht und den Einfluss des Militärs im Süden einzudämmen, keinen Fortschritt erzielt. Die Armee hat es erfolgreich verhindert, dass das von Zivilisten geleitete Verwaltungszentrum der südlichen Grenzprovinzen unabhängig von der Einsatzleitung der internen Sicherheit (Internal Security Operations Command, ISOC) arbeiten konnte.

Darüber hinaus machte die Armee Druck, kein Amnestiegesetz für verdächtige Aufrührer zu erlassen oder jegliche Form von Autonomie für den Süden zu akzeptieren, nachdem Politiker mehr Selbstbestimmung vorgeschlagen hatten, um den Aufstand effektiv zu beenden. Lokale Menschenrechtsgruppen und Zivilisten berichten, dass die Soldaten konkrete Anordnungen der thailändischen Regierung, Menschenrechte zu respektieren, ignorieren. Obwohl die Regierung eine politische Herangehensweise im Süden angekündigt hatte, schickte sie 2009 4.000 zusätzliche Truppen in das Konfliktgebiet. In der Region sind mindestens 66.000 Sicherheitskräfte stationiert.

Die Regierung behauptete, den Süden durch Ausgaben in Höhe von 1,6 Billionen US-Dollar für 300 Projekte zu entwickeln. Es ist sicherlich eine positive Entscheidung, Entwicklungsanstrengungen in der lange vernachlässigten Region zu stärken. Doch um ehrlich zu sein, sollte die Regierung anerkennen, dass einige ihrer angekündigten Ausgaben die enormen Kosten der Militärintervention decken. Das ist nicht wirklich die Entwicklung, auf die Menschen im Süden gewartet haben.

 

Die Gesellschaft für bedrohte Völker ruft den U-Menschenrechtsrat dazu auf, die thailändische Regierung dazu zu bewegen:

  • Straffreiheit zu beenden und sicherzustellen, dass alle Täter von Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden.

  • zu gewährleisten, dass alle Sicherheitskräfte Menschenrechte einhalten.

  • die Bewaffnung von Zivilisten, die Spannungen verursacht, zu beenden.

  • die Notverordnung und das Kriegsrechtgesetz aufzuheben.

  • die Militärherrschaft in Südthailand zu beenden und zivile Strukturen zu stärken.

  • eine bedeutende Anzahl von Soldaten zurückzuziehen, um Dialog und die Suche nach einer friedlichen Konfliktlösung zu ermutigen.