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Liebe Leserin, lieber Leser,
Weihnachten 2019: In der Kirche sitzt vor uns eine befreundete Familie. Die Eltern, ihre drei Töchter und Amara*, die beste Freundin der jüngsten Tochter. Amara ist Yezidin. Jedes Jahr feiert sie Weihnachten mit unseren Freund*innen und die Tochter nimmt andersherum an einem yezidischen Fest bei der Familie von Amara teil.
Eines meiner Highlights in diesem Weihnachtsgottesdienst: Als das Evangelium vorgelesen wird, setzen wir uns alle hin. Nur der Familienvater vor uns bleibt stehen. Für Amara ist sofort klar: Aha, der Vater ist evangelisch, deswegen muss er beim Evangelium stehenbleiben. Wir anderen sind katholisch. Deswegen sitzen wir. „So ist das nicht“, erklärt die Tochter ihrer Freundin leise lachend. Aber wie ist es? Spannend, die eigene Religion, „Selbstverständlichkeiten“ auf diese Weise mal wieder zu hinterfragen und zu erklären. Der Austausch über Religion bereichert und sorgt bei uns stets für gute Laune.
In Deutschland leben hunderte Glaubensgemeinschaften: Menschen christlichen, muslimischen, jüdischen, buddhistischen und hinduistischen Glaubens. Hinzu kommt eine große Gruppe Konfessionsloser und Religionsfreier. Und dann gibt es noch die Angehörigen von Religionen, die in Statistiken als „Sonstige“ aufgeführt sind: Bahá’í, Drus*innen, Jainas, Sikhs, Yezid*innen, Alevit*innen, Sufis, Angehörige des Daoismus oder des Shintoismus und so viele mehr. Wir alle sind frei, unseren Glauben zu wählen und zu leben. Das gewährt uns unser Menschenrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit.
Probleme mit Religionen gibt es immer dann, wenn eine Religion für sich beansprucht, besser zu sein als alle anderen, und allen anderen deswegen dieser eine „wahre Glaube“ aufgezwungen werden soll. Das führt zu Leid – sei es durch Missionar*innen, die Krankheiten in indigene Gemeinschaften tragen; durch Gesetze, die religiöse Minderheiten diskriminieren und verteufeln; oder durch Waffengewalt. Dabei ist Glaube am Ende eine Frage der inneren Überzeugung. Und diese Überzeugung kann man nicht erzwingen. Aber sie kann eine unglaubliche Kraft entfalten.
Es ist deswegen heikel, wenn Politik sich zu sehr in Religion oder Religion sich zu sehr in Politik einmischt. Wenn eine Regierung wie die chinesische sich zum Beispiel berufen fühlt, den Nachfolger des Dalai Lama bestimmen zu können, werden die tibetischen Buddhist*innen dies nicht akzeptieren. Ein Konfliktpotential baut sich auf und droht zu eskalieren.
Wir wollen in dieser Ausgabe zumindest andeuten, wie komplex die Welt der Religionen ist. Erfahren Sie, warum die Totengeister nach dem Vietnam-Krieg eine ganz andere Bedeutung für die Bevölkerung haben als die Totengeister bei der Aufarbeitung des Völkermordes durch die Roten Khmer in Kambodscha. Brasilianische Indigene gewähren einen Eindruck in ihre besondere Beziehung zur Natur und in Laos verschwimmen die Grenzen zwischen Buddhismus und Animismus. Möglich macht all‘ dies erst das Recht auf Religionsfreiheit.
Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre
Herzliche Grüße
Johanna Fischotter
*Name geändert
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