21.08.2024
Größerer Einsatz für verfolgte religiöse Minderheiten im Irak gefordert
Appell an Kirchen und Bundesregierung
Anlässlich des „Internationalen Tags zum Gedenken an die Opfer von Gewalttaten aus Gründen der Religion oder des Glaubens“ fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) die Mitglieder der deutschen Bundesregierung, des Bundestages sowie die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland auf, sich stärker für die verfolgten, benachteiligten und diskriminierten Christen, Yeziden, Mandäer und Baha‘i im Irak, aber auch in anderen Ländern der „arabisch-islamischen Welt“ einzusetzen. „Unsere Politiker sollten in ihren Gesprächen mit den Regierungsvertretern des Irak nicht nur Höflichkeiten austauschen, sondern die Lage der religiösen Minderheiten klar und deutlich ansprechen“, fordert der GfbV-Nahostreferent Dr. Kamal Sido heute in Göttingen.
Zehn Jahre nach dem Genozid an der yezidischen Gemeinschaft in Sinjar (Shingal) im äußersten Nordwesten des Irak und der Massenvertreibung der christlichen Gemeinden leben noch immer mindestens 600.000 irakische Binnenflüchtlinge in der Autonomen Region Kurdistan im Norden des Landes. Davon sind schätzungsweise 7 Prozent Christen, der Großteil der Binnenflüchtlinge sind Yeziden. „Sie alle können aufgrund der instabilen Lage nicht in ihre alte Heimat, nach Sinjar (Shingal), Mosul oder in die Ninive-Ebene zurückkehren. Die instabile Lage, das Erstarken des politischen Islam schiitischer und sunnitischer Prägung nicht nur im arabischen Irak, sondern auch in Kurdistan, lässt viele Angehörige der religiösen Minderheiten über eine Auswanderung nachdenken“, erklärt der Menschenrechtler. Laut mehrerer Quellen sollen monatlich etwa 100 Personen, die religiösen Minderheiten angehören, den Irak in Richtung Europa, Nordamerika oder Australien verlassen.
Im Irak leben immer weniger Christen, Yeziden und Mandäer. Anfang der 2000er Jahre sollen allein in Mossul und in der Umgebung über 100.000 Christen gelebt haben. Doch schon vor den Angriffen des sogenannten „Islamischen Staates“ 2014 begann die Zahl der Christen nach der ersten US-Militärintervention 2003 aufgrund des entstandenen politischen Chaos und der Gewalt der Islamisten zu sinken. Im Jahr 2020 sollen nur noch etwa 300 christliche Familien in der Provinz Basra gelebt haben. Vor 50 Jahren seien es noch etwa 3.000 gewesen.
Gegenüber Journalisten erklärte der chaldäische Patriarch Kardinal Louis Sako im August 2024, dass Angehörige religiöser Minderheiten den Glauben an eine Zukunft im Irak verlieren würden, weil sie beispielsweise bei der Arbeitssuche benachteiligt würden oder weil die Gesetze islamisiert würden. „Am schlimmsten ist jedoch die anhaltende Hetze islamistischer Imame im Irak, aber auch in Kurdistan gegen religiöse Minderheiten wie die Yeziden. Durch politische Rückendeckung aus der Türkei, dem Iran oder Katar fürchten die radikalen Imame keine strafrechtlichen Konsequenzen durch die korrupten staatlichen Behörden“, sagt Sido und fordert Politik und Kirchen in Deutschland auf, bei ihren Gesprächen im Irak zu diesen Missständen klar Stellung zu beziehen.