26.01.2017

Irak: Christin von Muslimen in Mossul vor „Islamischen Staat“ versteckt

Nach Vertreibung des IS konnte Georgette Hanna zum ersten Mal wieder das Haus verlassen

In ihrem Versteck hatte die 60-jährige Georgette Hanna die ganze Zeit ein Kopftuch getragen, um nicht als Christin erkannt zu werden. [Symbolfoto]

Wie das Internetportal „elwatannews.com“ berichtet, hat eine muslimische Familie in der nordirakischen, mehrheitlich sunnitischen Stadt Mossul eine Christin von Juni 2014 bis zum 20. Januar 2017 vor dem „Islamischen Staat“ (IS) versteckt.

Die heute 60-jährige Christin Georgette Hanna war krank und konnte damals nicht fliehen. Ihre muslimischen Nachbarn nahmen sie in ihrem Haus auf und versteckten Hanna vor den radikalen sunnitischen Islamisten. Während dieser Zeit hat sich die Christin kein einziges Mal auf die Straße getraut. Erst am vergangenen Freitag, als irakische Soldaten das Haus der muslimischen Familie nach IS-Mitgliedern durchsuchten, wurde sie entdeckt. Im ersten Augenblick wollte die Christin nicht glauben, dass es sich bei den Soldaten um Angehörige des irakischen Militärs handelt. Als sie sich dann doch sicher war, hat sie ihr Kopftuch abgelegt und ist auf die Straße gegangen. In ihrem Versteck hatte sie die ganze Zeit über ein Kopftuch getragen. (elwatannews.com in Arabisch)

Zum Zeitpunkt des IS-Einmarsches in die nordirakische Stadt Mossul im Juni 2014 hatten sich etwa 250 christlichen Familien dort aufgehalten, fast alle von ihnen sind vor der Terrormiliz geflohen. Nach der Übernahme der Stadt Mossul hatten IS-Extremisten Häuser und Grundstücke von Christen mit einem „N“ markiert. „N“ wie „Nasara“, das übersetzt „Christen“ heißt. Zudem zerstörten die Islamisten die alten Kirchen der Stadt, rissen christliche Kreuze herunter und zertrümmerten Heiligenbildnisse. (GfbV)

Auch aus der umliegenden Provinz Mossul, vor allem im Norden und Osten, der Ninive-Ebene, mussten Christen fliehen. Dort hatten die Christen in ihrer letzten großen Gemeinschaft gelebt. Das Schicksal der Christen von Mossul verdeutlicht dabei die alarmierende Situation der christlichen Minderheit im Irak: Die große Mehrheit von ihnen ist innerhalb der vergangenen drei Jahrzehnte vertrieben worden oder geflohen: Ihre Zahl schrumpfte von 1,5 Millionen auf heute höchstens noch 300.000.

Mittlerweile sind die Ninive-Ebene sowie der Ostteil von Mossul durch die irakische Armee, kurdische Peschmerga und christliche sowie schiitische Milizen nahezu vollständig vom IS befreit worden. Beobachter befürchten nun allerdings, dass es zu einem verstärkten Machkampf unter den verschiedenen Milizen kommen kann. So hat die sunnitische Bevölkerung Angst vor Racheakten der schiitischen Miliz, da auch Schiiten vom „Islamischen Staat“ verfolgt werden. Christliche und yezidische Opfer des IS werfen den Sunniten wiederum vor, sie hätten den Einmarsch der Terrormiliz unterstützt oder zumindest keinen Widerstand geleistet.

Ob die meisten der rund 350.000 Assyrer/Aramäer/Chaldäer, die momentan immer noch als Flüchtlinge in Zeltlagern in Irakisch-Kurdistan untergebracht sind, in ihre Heimat zurückkehren können, bleibt daher abzuwarten.