16.11.2018

Kambodscha: Urteil am Khmer Rouge-Sondertribunal Meilenstein im Kampf gegen Straflosigkeit

Verbrechen des Pol Pot-Regimes an ethnischen Vietnamesen und muslimischen Cham war Völkermord (Pressemitteilung)

Die Richterkammer des Khmer Rouge-Sondertribunals in Kambodscha verurteilte heute zwei ehemalige hochrangige Führer der Roten Khmer wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schweren Verstößen gegen die Genfer Konventionen zu lebenslanger Haft. Bild: Khmer Rouge Tribunal (ECCC) via Flickr CC BY 2.0

Als „Meilenstein“ im Kampf gegen Straflosigkeit für Verbrechen des Pol Pot-Regimes an Minderheiten bezeichnete die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) das heutige Urteil des Khmer Rouge-Sondertribunals in Kambodscha. Die Richterkammer des Tribunals in Phnom Penh verurteilte heute zwei ehemalige hochrangige Führer der Roten Khmer wegen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schweren Verstößen gegen die Genfer Konventionen zu lebenslanger Haft. Khieu Samphan, Staatsoberhaupt des „Demokratischen Kampuchea“ und Nuon Chea, der als „Bruder Nr. 2“ bekannte Chefideologe der Roten Khmer und Stellvertreter Pol Pots müssen damit die Verantwortung für die Politik der Verfolgung und Ermordung von ethnischen Vietnamesen übernehmen. Zudem verurteilte das Sondertribunal Nuon Chea für den Völkermord an den muslimischen Cham.

Die Richter sahen es als erwiesen an, dass das Pol Pot-Regime die Absicht verfolgte, die beiden ethnischen Minderheiten zu zerstören. In den ersten Monaten ihrer Herrschaft deportierten die Roten Khmer rund 170.000 ethnische Vietnamesen zwangsweise nach Vietnam. Hunderte starben während dieser Deportationen. Die verbleibenden rund 20.000 ethnischen Vietnamesen wurden ermordet. Kinder aus gemischten Ehen, die eine vietnamesisch-stämmige Mutter hatten, wurden ebenfalls getötet. Ebenfalls verfolgten und töteten die Roten Khmer gezielt die muslimischen Cham. Das Tribunal geht davon aus, dass etwa 36 Prozent der Cham-Bevölkerung getötet wurde.

„Es ist zu begrüßen, dass die Verbrechen an der vietnamesischen und muslimischen Minderheit nun als Völkermord verurteilt wurden. Damit wird das Leiden der Opfer und ihrer Angehörigen juristisch anerkannt und auch in den Reparationsmaßnahmen bedacht“, meint GfbV-Direktor Ulrich Delius. „Dies ist ein Schritt zur Anerkennung der Minderheiten und der Versöhnung mit der Mehrheitsgesellschaft, die bis heute starke Vorbehalte besonders gegen die ethnischen Vietnamesen hegt.“

Nuon Chea und Khieu Samphan wurden unter anderem für schuldig befunden, zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Mord, Vernichtung, Versklavung, Deportation, Folter, Inhaftierung, religiöse, ethnische und politische Verfolgung, Verschwindenlassen, Zwangsheirat und Vergewaltigung begangen zu haben.

Die Roten Khmer verfolgten ein maoistisches Ideal eines kommunistischen Agrarstaates. Zwischen 1975 und 1979 wurden mindestens 1,7 Millionen Menschen Opfer von Zwangsarbeit, Hunger und Krankheit sowie Hinrichtungen und Parteiinternen Säuberungen. Die Schreckensherrschaft endete am 7. Januar 1979 mit dem Einmarsch vietnamesischer Truppen.

Erst 2003 einigten sich die Vereinten Nationen und die kambodschanische Regierung auf die Einrichtung eines hybride strukturierten Strafgerichtshof, an dem jedoch nur hochrangige Rote Khmer angeklagt werden können. Ehemalige mittlere Kader, die bis heute politische Ämter bekleiden, können nicht zur Verantwortung gezogen werden.

In dem ersten Verfahren wurde 2010 Kaing Guek Euv, Leiter des berüchtigten Sicherheitsgefängnis S-21, zu lebenslanger Haft verurteilt. Khieu Samphan und Nuon Chea wurden bereits 2014 im ersten Teilverfahren des zweiten Prozesses wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Um das Verfahren zu beschleunigen, war es in zwei Prozesse geteilt worden. Zwei weitere Angeklagte starben vor der Urteilsfindung.

Headerbild: Khmer Rouge Tribunal (ECCC) via Flickr