23.02.2014

Kritik an Deutschlands Kaukasus-Politik: Wegschauen schürt Konflikte und Flüchtlingskrise

70. Jahrestag der Deportation von Tschetschenen und Inguschen (23.2.)

Zum 70. Jahrestag des Beginns der Deportation von Tschetschenen und Inguschen hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) scharfe Kritik an der Russland- und Kaukasus-Politik Deutschlands geübt. „Mit ihrer Politik des Wegschauens bei schweren Menschenrechtsverletzungen im Kaukasus schürt die deutsche Bundesregierung weitere Menschenrechtsverletzungen und trägt indirekt mit dazu bei, dass immer mehr Tschetschenen aus ihrer Heimat nach Deutschland fliehen“, erklärte Sarah Reinke, die GUS-Referentin der GfbV, am Freitag in Berlin. „Statt diesen Flüchtlingen in Deutschland Zuflucht zu gewähren und ihre Zeugen-Aussagen zu nutzen, um die Straflosigkeit im Kaukasus zu bekämpfen, werden sie ohne individuelle Prüfung pauschal in den EU-Staat zurückgeschoben, durch den sie einreisten.“

Am 23. Februar 1944 begann die kollektive Deportation der Tschetschenen und Inguschen durch die Rote Armee nach Zentralasien. Etwa 460.000 Menschen wurden deportiert. 40-50 Prozent der Deportierten in den Zügen sollen Kinder gewesen sein. Genaue Opferzahlen liegen nicht vor. Rund 40 Prozent sind Schätzungen zufolge damals zu Tode gekommen.

Traditionell ist der 23. Februar ein Tag der Trauer für Tschetschenen und Inguschen. Seit dem 12. Februar 2014 wird jedoch das zentrale Mahnmal, das an die Deportation und ihre Opfer erinnert, in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny abgebaut. Es war vom ersten tschetschenischen Präsidenten Dschochar Dudajev 1992 aufgebaut, in beiden Kriegen schwer beschädigt, aber wieder in Stand gesetzt worden. Die Bevölkerung wurde in keiner Weise über den Abbau des Mahnmals informiert. Die Grabsteine des Mahnmals werden zum Platz „Achmed Kadyrow" transportiert. Auf diesem Platz wird der verstorbenen Mitglieder der tschetschenischen Sicherheitskräfte gedacht, die von Präsident Kadyrow unter anderem gegen tschetschenische Zivilisten eingesetzt werden. Der tschetschenische Präsident Kadyrow hat zudem den nationalen Trauertag auf den 10. Mai verlegt. Am 9. Mai war sein Vater, Achmed Kadyrow, ermordet worden. Nach zwei blutigen Kriegen mit insgesamt 160.000 Toten ist die tschetschenische Gesellschaft traumatisiert und von Gewalt und Leid gezeichnet.

„Tschetschenien und der Nordkaukasus sind die Regionen innerhalb Europas, in denen die Menschenrechte am systematischsten verletzt werden und Gewalt und Willkür den Alltag beherrschen“, erklärte Reinke. „Kommen die Flüchtlinge aus dem Nordkaukasus über einen EU-Staat in Deutschland an, landen sie in einem Verschiebebahnhof ohne Rechte. Die Situation der tschetschenischen Flüchtlinge, die seit Frühjahr 2013 in Deutschland angekommen sind, ist katastrophal und viele Schicksale erschütternd. Deutschland muss ihre Asylanträge individuell prüfen und darf die Flüchtlinge nicht länger pauschal nach Polen zurückführen."