13.11.2013

Somaliland - Ein kleines Land kämpft um internationale Anerkennung

Vergessen am Horn von Afrika

Markttag in Hargeysa. Foto: CC BY-NC-SA 2.0 Charles Roffey (flickr.com)

Aus bedrohte völker_pogrom 276, 2/2013

Anarchie und Bürgerkrieg: Lokale Clans und radikal islamistische Kräfte kämpfen seit dem Sturz von Diktator Siad Barre 1991 um die Vorherrschaft in Somalia – einem zerrütteten Land am Horn von Afrika im Osten des Kontinents. Somaliland im Norden Somalias hingegen ist politisch stabil und friedlich. Die Region erklärte sich vor 22 Jahren, am 18. Mai 1991, für unabhängig. Doch bis heute wartet Somaliland auf internationale Anerkennung und wird zurzeit nur als autonome Region Somalias wahrgenommen. Dieser Umstand ist tragisch, denn nicht nur die Vergabe von Entwicklungshilfe hängt davon ab, Die Somaliländer haben beispielsweise auch keine offiziellen Pässe, um ins Ausland reisen zu können.

Bereits 1960 war das kleine Land, das bis dato unter britischer Verwaltung stand, a einige Tage unabhängig. Es schloss sich dann mit dem italienisch besetzten Süden zu dem Land Somalia zusammen. Ende der 1980er Jahre wehrte sich die Nationalbewegung Somalilands (Somali National Movement, SNM) mit Waffengewalt gegen das autoritäre Regime Somalias, das 1969 die Macht übernommen hatte. Die Regierung Siad Barres reagierte erbarmungslos. Die Bilanz des jahrelangen Bürgerkrieges: 50.000 Tote, 400.000 Binnenvertriebene und 400.000 Menschen, die in die Nachbarstaaten geflohen sind. Zudem legten Kampfflugzeuge die Hauptstadt Somalilands, Hargeysa, 1988 in Schutt und Asche. Heute ist die Stadt wieder aufgebaut und Regierungssitz. Nur das Standbild eines Kampfflugzeuges und einige Wandbilder erinnern warnend an die leidvollen Tage während des Bombardements.

Regierung und Bevölkerung von Somaliland haben es in den vergangenen zwei Jahrzehnten geschafft, ein stabiles politisches System zu etablieren – ganz im Gegensatz zum konfliktreichen Süden Somalias. Das ist ein kleines Wunder, wenn man bedenkt, dass das Land international nicht anerkannt und kaum finanzielle Unterstützung bekommt – nur völkerrechtlich anerkannte Staaten erhalten Entwicklungshilfe. Das junge Land ist auf sich gestellt. Die Regierung will den Bildungs- und Wirtschaftssektor fördern und ausbauen. Mit einem jährlichen Budget von 26 Millionen Euro ist das jedoch kaum zu realisieren. Die ehemalige britische Kolonialmacht Großbritannien steuert erheblich mit zum Haushalt des nicht anerkannten Staates in Form von Entwicklungshilfe bei.

Viele Einwohner hoffen, dass Somaliland die völkerrechtliche Anerkennung erhalten wird, wenn sich das Land weiter politisch stabilisiert und seine sozialen Sicherungssysteme ausbaut. Denn das Land hat viele Eigenschaften eines souveränen Staates: eine verfassungsgemäß gewählte Regie¬rung, eine Armee, eine Staatsflagge und eine eigene Währung.

Bevölkerungsstruktur

Etwa 3,5 Millionen Menschen leben in Somaliland, mehr als die Hälfte sind Nomaden und Halbnomaden. Ethnisch gesehen sind alle Einwohner Somalis und sprechen Somali. 99,5 Prozent sind Muslime. Somalis sind in Clans organisiert. Die Mehrheit gehört dem Clan der Isaac an, andere größere Gruppen sind die Dir, Darod und Samaron. Unter dem Begriff „Gaboye“ werden in Somaliland die Minderheiten der Essa, Yibir und Mandhibaan zusammengefasst. Zehntausende Menschen gehören diesen Volksgruppen an.

Politisches System von Somaliland

Somaliland hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine demokratische Präsidialrepublik aufgebaut, die auch traditionelle Elemente berücksichtigt. Die Regierung besteht aus einem Zwei-Kammern-Parlament: Die Mitglieder des Repräsentantenhauses werden gewählt, die Angehörigen des Ältestenrates von den Clans ernannt. Die Anzahl politischer Parteien ist auf drei beschränkt, um eine zu große Aufsplitterung der Wählerstimmen zu verhindern. 2001 trat erstmals die Verfassung in Kraft. 2002 fanden die ersten Kommunalwahlen als erste Mehrparteienwahlen statt und 2005 wurde das Repräsentantenhaus gewählt. Seit 2010 ist Ahmed Mahamud Silanyo Präsident der Republik Somaliland (Somali: Jamhuuriyadda Somaliland). Er hat bereits in den 1980er Jahren die „Nationalbewegung Somalilands“ angeführt. Die internationale Anerkennung ist eines der obersten Ziele seiner Politik.

Zu den Autoren

Dr. Deria Ereg ist Vizepräsident an der Universität in Hargeysa. Dr. Jens Stahmer und Dr. Sibylle Rahlenbeck haben an der Hargeysa-Universität Innere Medizin/Community Health unterrichtet. Stahmer und Rahlenbeck engagieren sich zudem in dem Verein Afrika aktiv, der ein Projekt zum Aufbau der medizinischen Versorgung in Somaliland unterstützt.