30.04.2005

Menschenrechtsverletzungen gegen Uiguren

56. Sitzung der Kommission für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Genf 2000

Item 9

Die Gesellschaft für bedrohte Völker ist außerordentlich besorgt über Hinrichtungen politischer Gefangener uigurischer Abstammung in der im Nordwesten der Volksrepublik China gelegenen Autonomen Provinz Xinjiang. Seit 1997 wurden mehr als 260 Uiguren aus politischen Gründen zum Tode verurteilt. Die meisten Todesurteile wurden unverzüglich vollstreckt. Allein im März 2000 wurden elf uigurische Gefangene hingerichtet. Die Uiguren sind die einzige Gruppe politischer Gefangener in der Volksrepublik China, deren Aufbegehren regelmäßig mit der Todesstrafe geahndet wird.

Viele Todesurteile wurden nach schweren Unruhen in der Stadt Gulja im Februar 1997 verhängt. Nachdem junge muslimische Gläubige bei den Ramadan-Feiern verhaftet worden waren, kam es zu einem Blutbad, als ihre Angehörigen in friedlichen Protesten die Freilassung der Festgenommenen forderten. Bis zu 100 Menschen wurden bei der blutigen Niederschlagung der Demonstrationen getötet, Hunderte verletzt. Mindestens 52 Uiguren wurden wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an den Unruhen zum Tode verurteilt und hingerichtet. In Schnellverfahren oder in Schauprozessen, die jeden rechtsstaatlichen Grundsätzen eines Gerichtsverfahrens widersprachen, wurden die Urteile gegen die Angeklagten verhängt. Die Vollstreckung der Todesurteile gegen fünf weitere Personen wurde aufgeschoben, mindestens 90 Uiguren wurden zu meist langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Bis heute bemühen sich die chinesischen Behörden, das wahre Ausmaß und den Anlaß der Auseinandersetzungen zu verschleiern. Erst in den letzten Monaten wurde der erschreckende Umfang der Repression nach dem Massaker immer deutlicher. 4.000 uigurische Bewohner der Stadt Gulja wurden nach Ausbruch der Unruhen verhaftet. Zeitweilig befand sich jeder dritte uigurische Bewohner der Stadt in Haft. Alle Wohnungen und Häuser von Uiguren wurden von chinesischen Sicherheitskräften durchsucht. Die Haftbedingungen in den überfüllten Gefängnissen waren nach Berichten von Augenzeugen katastrophal. Unzählige Frauen wurden inhaftiert und in Polizeistationen und Gefängnissen vergewaltigt. Viele "Geständnisse" wurden unter Folter erpresst. Bis zu 14 Inhaftierte starben aufgrund der Folter in der Haft. Den Angehörigen der Folteropfer, Hingerichteten und Erschossenen wurde die Herausgabe der Leichen und eine angemessene Bestattung der Toten verweigert. Per Erlass wurde die Bevölkerung unter Androhung drakonischer Strafen aufgefordert, absolutes Stillschweigen über den Verlauf der Unruhen zu wahren. Wer dagegen verstieß und ausländischen Journalisten Informationen zur Verfügung stellte, wurde zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Das Massaker von Gulja ist nur ein Beispiel von vielen für die anhaltende Unterdrückung der Uiguren. Im Juli 1999 verhängten die chinesischen Behörden über die im Süden der Provinz gelegenen Stadt Khotan den Ausnahmezustand. Ein führendes Mitglied der Kommunistischen Partei in der Stadt erklärte kürzlich gegenüber einer chinesischen Zeitung, seit Verhängung des Ausnahmezustandes seien dort 71 Uiguren wegen sogenannter separatistischer Aktivitäten erschossen und 917 Personen verhaftet worden. Menschenrechtsorganisationen können diese alarmierenden Informationen nicht überprüfen, da ihnen der Zugang zu der Stadt verweigert wird.

Wir appellieren an die UN-Menschenrechtskommission, einen sofortigen Stopp der Hinrichtungen sowie die unverzügliche Freilassung aller uigurischen Gefangenen zu fordern, die in Ausübung ihrer Religions- und Demonstrationsfreiheit verhaftet wurden. Auch sollte die Volksrepublik China aufgefordert werden, jede weitere Kriminalisierung der Menschenrechts- und Demokratiebewegung der Uiguren zu unterlassen und die freie Religionsausübung zu gewährleisten.