Pressemitteilung

27.08.2020

Internationaler Tag der Verschwundenen (30.8.)

Quälende Ungewissheit für die Familien der Opfer (Pressemitteilung)

Zum Internationalen Tag der Verschwundenen am kommenden Sonntag, den 30. August, erinnert die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) an die tausenden Angehörigen marginalisierter Gruppen, die in den Unrechtsregimen dieser Welt „verschwunden wurden“. Die Menschenrechtsorganisation verurteilt diese unmenschliche Praxis, die der Einschüchterung der Bevölkerung diene und die Familien der Opfer traumatisiert zurücklasse. 

„Allein in der Türkei gelten seit den 1990er Jahren bis zu 17.000 Angehörige der kurdischen Volksgruppe sowie Menschen, die sie unterstützen, als ‚verschwunden‘ – politisch Aktive und Engagierte, journalistisch und juristisch Tätige und einfache Landwirte“, erinnert Dr. Kamal Sido, Nahostexperte der GfbV. „Sie wurden im türkisch-kurdischen Krieg 1984 bis 1999 von staatlichen Todesschwadronen verschleppt oder kehrten nach Verhaftungen oder Verhören durch die Militärpolizei Jandarma nie zu ihren Familien zurück.“ Diese Menschen hätten sich meist für den Erhalt ihrer Muttersprache engagiert oder politische Rechte für die 20 Millionen Angehörigen der kurdischen Volksgruppe in der Türkei gefordert. 

An einem Samstag im Mai 1995 versammelten sich Mütter und andere Angehörige der Verschwundenen zum ersten Mal auf dem Galatasaray-Platz in Istanbul, um an ihre vermissten Söhne, Väter und Ehemänner zu erinnern. Diese „Samstagsmütter“ gehen auch in der kurdischen Metropolle Diyarbakir allwöchentlich auf die Straße und fordern Aufklärung. Die GfbV hat am Samstag, den 9. Juli 2011, eine dieser Mahnwachen unterstützt. „Die Türkei beschränkt diese Praxis aber nicht auf ihr eigenes Staatsgebiet“, berichtet Sido. „Seit ihrem ersten Einmarsch in die Region Afrin und andere mehrheitlich kurdische Gebiete in Nordsyrien im Januar 2018 gelten auch dort 7.000 Angehörige der kurdischen Bevölkerung als verschwunden.“  

In der Volksrepublik China verschwinden nach wie vor regelmäßig Menschen, die die Führung des Landes kritisieren oder Volksgruppen angehören, die Peking besonders heftig unterdrückt. „Die Bevölkerung Tibets ist dieser perfiden Praxis bereits seit Jahrzehnten ausgesetzt“, erklärt Hanno Schedler, GfbV-Referent für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung. „Selbst Menschen, die sich nicht besonders politisch Engagiert haben, wurden in Massen verschleppt. Der Panchen Lama, eine wichtige Persönlichkeit im tibetischen Buddhismus, wurde noch im Kindesalter verschleppt und seit 25 Jahren nicht mehr gesehen.“ Dieser Tage würden vor allem die muslimischen Volksgruppen in Uigurenregion Xinjiang / Ostturkestan Opfer staatlicher Entführungen. „Manche von ihnen tauchen irgendwann in einem der Internierungslager der Region wieder auf, wo sie Folter und Gehirnwäsche erleben und häufig zur Zwangsarbeit eingesetzt werden“, so Schedler. „Viele andere bleiben dauerhaft verschwunden und ihre Familien leben jahrelang in quälender Ungewissheit über ihr Schicksal."